VON JOACHIM ZAPPE
Wesentliches Element der Politik ist das Vergessen. Auf die Vergesslichkeit der Bürger kann man sich verlassen. Unpopuläres wird in der Regel in die erste Hälfte der Legislaturperiode gelegt. Am Ende sind dann vor den nächsten Wahlen alle Wunden verheilt, Negatives ist längst „Schnee von gestern“. Immer, wenn ich nun Markus Söder in den TV-Programmen sehe und höre, wird mir das Vergessens-Phänomen wieder bewusst. So habe ich nicht vergessen, wie der Ministerpräsident von Bayern und sein damalig bester Parteifeind Seehofer vor nicht so langer Zeit im eigenen Landtagswahlkampf über Monate versuchten, die AfD noch rechts zu überholen, sich auf übelste und widerlichste Weise in die Flüchtlingspolitik einbrachten. Die Aussagen aus dieser Zeit möchte ich gar nicht wiederholen, das könnte verunsichern und zu erheblichen Irritationen führen.
Unvergessen, wie die Bundeskanzlerin regelrecht vorgeführt und zu Konsultationen quer durch Europa gejagt wurde. Die Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU stand kurz vor der Auflösung, ebenso die Preisgabe jeglicher christlicher Grundsätze. Heute alles vergeben und vergessen, der joviale, aufgeräumte, smarte Herr Söder gehört zu den beliebtesten Politikern im Lande und wird offen als Kanzlerkandidat gehandelt. Man fragt sich da schon, wer und was ist denn der echte Söder hinter dem Staatsschauspieler?
Beim Thema Vergessen müssen wir aber nicht nach Bayern auswandern, sondern man kann getrost in Wermelskirchen bleiben. Man kann sogar bei sich selber anfangen. Auf meinem Heimweg komme ich immer an der Baustelle des künftigen „Jugendparks“ vorbei. Als diese wetterbedingt stillstand, konnte man vereinzelt junge Leute dort mit ihren Sportgeräten beobachten. Am letzten Sonnenwochenende wurde dann aus wenigen Jugendlichen ein wahrer Pilgerstrom. Von Anfang an habe ich für mich überlegt, wäre ich – mehrere Jahrzehnte zurückblickend – auch dort dabei gewesen? Die Antwort wider die Vergesslichkeit ist: Ja, wahrscheinlich wäre ich auch einer von denen gewesen. Denn jugendlicher Leichtsinn betrifft in der Regel uns alle als ehemalige Jugendliche. Vermutlich ginge das vielen so, die so böse und missmutig in der Öffentlichkeit auftreten, wenn sie einmal ehrlich gegen sich selbst einen Blick in die eigene Jugendzeit wagten. Natürlich gibt es Regeln, Haftungsgründe und was sonst noch gegen eine vorzeitige Nutzung spricht. Aber bitte, den Ball flach halten. Der Bereich zwischen Übermut und Chaos ist groß.
Ein weiteres Vergessen muss hier erwähnt werden. Ich gestehe, beim ersten Sichten von Jugendlichen vor Ort überkam mich eine gewisse klammheimliche Freude, eine Freude für die Jugendlichen dort, dass ihr langjähriger Traum bald in Erfüllung geht. Endlich ist es soweit. Erinnert sei an die Zeit, wo am alten Güterbahnhof die Rollszene spontan und ungekünstelt entstand. Junge Leute und Kinder trafen sich in cooler Location dort unorganisiert, um ihrem Sport zu frönen. So, wie sich Jugendkulturen halt entwickeln. Erinnert sei daran, dass das Gelände für den Aldi-Neubau benötigt wurde, dem mittlerweile gegründeten Verein „Rollrausch“ noch in der Ägide von Eric Weik eine Ersatzstätte an der Remscheider Straße angeboten wurde, die dann aber auch für die Jugendlichen geschlossen wurde. Erinnern wir uns an all den unsäglichen Hickhack auf der politischen Bühne in Wermelskirchen, wo man – Entschuldigung für den Ausdruck – schon als unbeteiligter Außenstehender den Eindruck haben konnte, die Jugendlichen würden „verarscht“.
Zum Schluss noch ein letztes Ankämpfen gegen das Vergessen. Erinnern wir uns daran, dass ohne den beharrlichen Einsatz von Ex-Bürgermeister Rainer Bleek und der Spendenbereitschaft von Wermelskirchener Firmen und Bürgern all die gewonnen hätten, die die Skater jahrelang als sich selbstauflösende und –aufgebende Modeerscheinung angesehen haben. Gott sei Dank, vergeblich! Denen, die es jetzt kaum noch erwarten können, sage ich, ich verstehe Euch sehr gut, freut Euch und lasst es ordentlich rollen.
…zu verdanken, ist es Marco Lerch .
Schöner Beitrag 🙂