Ein Wort zum Montag, dem 22. Februar 2021
VON CORNELIA SENG
Mit dieser Woche beginnt die Passionszeit. „Passionszeit“ heißt sie in evangelischer Tradition. In den letzten Jahren haben wir uns angewöhnt, in ökumenischer Verbundenheit auch von „Fastenzeit“ zu sprechen. Fasten ist gut und richtig, natürlich auch das „Klimafasten“, zu dem die Kirchen in diesem Jahr gemeinsam aufrufen. Aber die Bezeichnung „Passionszeit“ setzt noch einen anderen Schwerpunkt. Sie erinnert an die Passion, das Leiden Jesu.
Das Leiden Jesus beginnt mit dem Verrat des Judas. Für 30 Silberlinge hat er Jesus verraten. Ein „Judaslohn“ sagen wir. War es Habgier, die ihn zu dem Verrat geführt hat? Vermutlich nicht, denn später wirft er das Geld den Hohenpriestern frustriert vor die Füße. War es die Gier nach Macht?
Manche lesen das in den biblischen Texten. Denn Judas war „Zelot“, erfahren wir. Er gehörte einer Gruppe an, die mit aller Gewalt der römischen Besatzungsmacht ein Ende bereiten wollte. Wollte er Jesus instrumentalisieren, für seine Zwecke missbrauchen? Mit seiner göttlichen Vollmacht müsste es Jesus ein Leichtes sein, den verhassten Römern den Garaus zu machen.
Ich vermute, es war noch etwas anderes. Als Jünger Jesu hat Judas es doch oft genug miterlebt: Jesus hilft Kranken und speist Hungernde. Er hat den Sturm gestillt, Wind und Meer sind ihm gehorsam. Ja, so ist Gott! – Und jetzt wehrt Jesus sich nicht gegen Erniedrigung, Folter und Leiden? Ja, den Tod am Kreuz? Vielleicht kann Judas es einfach nicht mit ansehen, dass Jesus den unteren Weg geht, den Weg ins Leiden. Das passt nicht zu seinem Bild von Gott.
So geht es auch heute vielen Menschen. Das Leiden passt nicht zu Gott. Wir sehnen uns nach einem Gott, der alles zurecht bringt. Der notfalls auch mit der Faust dreinschlägt, der das Böse vernichtet. Wir sehnen uns nach einem Gott, der nicht zulässt, dass Kinder leiden. Er hat die Welt erschaffen, könnte er die Welt nicht einfach auch in Ordung bringen?
Aber mit Jesus geht Gott den Weg ins Leiden, ins Dunkel. Um denen nahe zu sein, die im Dunkeln sind. Um denen beizustehen, die in Leid und Elend sind. Und er nimmt den Tod auf sich.
„Wer in Gott eintaucht, taucht bei den Armen wieder auf“, habe ich bei dem katholischen Theologen Paul Zulehner gelernt.
Es braucht Kraft, das Elend in der Welt nicht zu übersehen, das Leid und die Ungerechtigkeit. Wir werden es weiter sichtbar und hörbar machen müssen: Die Diskriminierung von Menschen mit anderer Hautfarbe, die Verstümmelung von Mädchen, das Elend der Flüchtlinge an den Außengrenzen Europas. Und, und, und …
Es ist Passionszeit.
„ Gott will im Dunkel wohnen und hat es dich erhellt“. So schreibt Klepper in sehr leidvoller Zeit. Ein Weihnachtslied für die Passionszeit.