Der Preis ist nicht immer heiß

Die Kehrseite der Sparmedaille betrifft uns alle

VON JOACHIM ZAPPE

Der Januar ist ein fürchterlicher Monat. Traditionell häufen sich Abrechnungen und Abbuchungen. Es ist aber auch die Erntezeit für Sparfüchse. Sie fahren die Früchte ihrer Marktanalyse und –Recherchen ein. Der clevere und  kostenbewusste Verbraucher hat das letzte Quartal 2020 natürlich genutzt und Verträge angepasst. Energie-, Telefon -und andere Monopole sind längst gefallen und Vertragswechsel dank Internet und Vergleichsportalen kinderleicht möglich. So hat uns hier im Forum vor kurzem Carl Dellmann sehr detailliert vorgerechnet, dass er fast 500 Euro pro Jahr (ich vermute nicht für eine Dreizimmerwohnung) durch einen Wechsel seines Gaslieferanten einspart. Herzlichen Glückwunsch, das ist vorbildliches, marktwirtschaftliches Verbraucherverhalten in Reinkultur! Viele Haushalte freuen sich über jeden Cent, der gespart werden kann.  Immer öfter sind Haushalte darauf angewiesen, Sparpotentiale zu finden, um überhaupt über die Runden zu kommen.

An dieser Stelle ist es mir wichtig,  einen Blick über den Tellerrand hinaus zu machen, um auch die Kehrseite der Medaille einmal zu beleuchten. Der gute Kaufmann weiß nämlich, dass es neben der rein quantitativen, auf den Preis ausgerichteten Sichtweise, auch einen qualitativen Aspekt gibt. Jeder, der beim neuen, preislich günstigsten Vertragspartner mal böse reingefallen ist, weil das Kleingedruckte nicht richtig gelesen wurde, der Service nicht stimmte oder der Vertragspartner schlicht Pleite ging, kann ein Lied davon singen. Es gibt Kriterien, die für den Einzelnen über den Preis hinaus wichtig und mitentscheidend sind. Umweltaspekte, Nachhaltigkeit, fairer Handel oder soziale Aspekte spielen für immer mehr Verbraucher eine Rolle.

Es müsste beispielsweise  schon viel passieren, dass ich für ein paar Euro mein Konto bei der Sparkasse Wermelskirchen nach über 50 Jahren wechsle. Warum? Mir ist wichtig, dass das Geldinstitut junge Leute ausbildet, diesen  berufliche Perspektiven und Mitarbeitern, die man seit Jahren kennt und die auch in echt erreichbar sind, einen Arbeitsplatz bietet. Einen der Wirklichkeit entrückten Vorstandschef Ackermann, der mit Victory-Zeichen Normalbürger verhöhnt oder inhaftierte Topmanager sind mir bisher wissentlich im Sparkassenbereich noch nicht untergekommen. Letzter, für mich wichtiger Pluspunkt für meine Kundentreue ist die Sparkassen-Förderung. Jugend und Vereine in Wermelskirchen werden quasi jährlich finanzielle unterstützt. Viele Projekte könnten ohne diese  Unterstützung nicht oder nur spärlich umgesetzt werden.

Aufgrund guter Erfahrungen mit Beratung, Service, Erreichbarkeit oder persönlichem Engagement – heimische Handwerker und Einzelhändler müssen sich in Wermelskirchen nicht verstecken. Bei genauerem Hinsehen stellt sich der Preis meist als fair und angemessen   heraus. Vor allem, wenn man weiß, dass zwischen „billig“ und „preiswert“ ein Riesenunterschied bestehen kann.

Und so werde ich auch weiterhin zwischen Telegrafenstraße, Schwanen und Kölner Straße und in der nächsten lokalen Umgebung meine Fahrräder, Elektrogeräte, Tintenpatronen, Kontaktlinsen, Uhren, Bücher uvm. kaufen. Wer nach dem Werbeslogan „Geiz ist geil“ lebt, der sollte sich die Lebensweisheit mal zu Herzen nehmen, die da heißt: “Man weiß erst, was man hat, wenn man es nicht mehr hat“. Die Gefahr, dass der gut funktionierende Wermelskirchener Einzelhandel und natürlich auch die Gastronomie nicht mehr das sein werden, was sie vor Corona und Lockdown waren, ist real. Gerade jetzt merkt man doch schmerzlich, wie sehr der Kneipen- und Restaurantbesuch und der Einkauf in unseren Geschäften fehlen. Wenn man bei den so beliebten Stadthöhepunkten nicht an leeren und abgeklebten Schaufenstern vorbei flanieren und seinen Cappuccino nicht zwischen Ladenruinen trinken möchte und sich womöglich über die Tristesse in der Stadt aufregt, der muss ab sofort Solidarität als wichtiges Kriterium für seine Kaufentscheidungen mit aufnehmen.

Zum Schluss dann noch der Perspektivwechsel. Stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitgeber kommt zu Ihnen und informiert Sie, dass Sie unter den drei Stelleninhaber der teuerste sind. Sie liegen 200 Euro (Entgelt) pro Monat über dem günstigsten Anbieter (Kollege*in). Als Sparfuchs können Sie das doch nachvollziehen und freuen sich sicher über Ihren Sparfuchs von gegenüber, oder?

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