Ein „Wort zum Montag“, dem 11. Januar 2021
VON CORNELIA SENG
Monika Salzer aus Wien ist die Gründerin der „Omas gegen Rechts“. Diese Woche schreibt sie: Es scheint eine große Gruppe von Menschen zu geben, die für ihren Protest Tabus brechen wollen. Es ist zum Teil Wohlstandsverwahrlosung, zum Teil Mangel an Perspektiven, zum Teil Bildungsferne, zum Teil persönliche Enttäuschung oder schwere Lebensschicksale und vieles mehr. Manche haben nichts zum Kämpfen, nichts zum Erringen, es sind keine Menschen, die stolz darauf sind, wenn sie etwas schaffen. Es genügt einer, der ein Tabu bricht, und schon machen viele mit. „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, kommt mir in den Sinn. Deshalb würde es sich lohnen, mit denen zu sprechen, gegen die wir politisch sind. Aber wie?
Viele kommentieren diesen Text von Monika Salzer: „Mit denen kann man nicht mehr reden!“ Die Vorfälle der vergangenen Tage in Washington scheinen ihnen recht zu geben. Der Graben ist tief. Nicht nur in Amerika. Es geht nur noch um Chaos, Macht, Kampf und um Sieg. Nicht mehr um Miteinander. Nicht mehr um demokratischen Anstand.
Zu Zeiten von Martin Luther King waren die Gräben auch tief. In der Bürgerrechtsbewegung der fünfziger und sechziger Jahre ging es um gleiche Rechte für die schwarze Bevölkerung. Auch damals war es ein Kampf. Nicht alle hielten zu M.L. King und seinem Einsatz für Gewaltlosigkeit. Gewaltlosigkeit war sein Lebensprinzip. „Gewaltlosigkeit kämpft gegen das Böse, nicht gegen die Menschen“, sagte er. Auch die, die Böses tun, die Gegner und Feinde sind mit Menschenwürde zu behandeln. Es nutzt niemandem, sie zu beschimpfen. Auch Schwurbler und Rechtsradikale sind Menschenbrüder und Schwestern. Ihre Gedanken und ihre Absichten sind falsch und gefährlich. Das müssen wir laut und deutlich sagen. Ihre Tabubrüche sind zu verachten, aber nicht sie selber. Es sind eben auch Menschen „mit schweren Lebensschicksalen“, wie Monika Salzer schreibt. Es sind Menschen, denen die Freude am Leben abhanden gekommen ist. Menschen, denen das Erleben fehlt, mit anderen etwas Positives zu schaffen.
Ein Mensch ist immer mehr als die Summe seiner Gedanken und Taten. Er ist ein von Gott geliebtes und gewolltes Geschöpf. Das fordert auch von uns den Respekt vor ihm.
Martin Luther Kings Lebensprinzip war die Gewaltlosigkeit. Das hat er von Jesus, aus der Bibel. Jesus nannte das Feindesliebe: „Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch fluchen; bittet für die, die euch beleidigen“ (Lk 6,27f).
Geht das? Kann man Feinden Gutes tun und wünschen?
Ja, das geht. Beschimpfungen, Kampf, auch verbale Gewalt bringen uns nicht weiter, höchstens weiter an den Abgrund. Wir können uns immer entscheiden. Wir haben immer die Wahl, miteinander oder gegeneinander.
Finsternis kann keine Finsternis vertreiben. Das gelingt nur dem Licht. Hass kann den Hass nicht austreiben. Das gelingt nur der Liebe. Hass vervielfältigt den Hass; Gewalt mehrt Gewalt, Härte vergrößert Härte in einer ständigen Spirale der Vernichtung. Die Kettenreaktion des Bösen – Hass, der neuen Hass gebiert, Kriege, die neue Kriege nach sich ziehen – muss unterbrochen werden. Sonst werden wir in den Abgrund der Vernichtung stürzen. (Martin Luther King)
