Top Down / Bottom Up!

Ein „Wort zum Montag“, dem 30. November 2020 

VON CORNELIA SENG

Seit Ende Oktober turnt sie auf dem Dach des Fridericianum. Mitten in der Stadt, in Kassel. Das Fridericianum ist eines der ältesten und bedeutendsten Gebäude in Kassel. Es ist eines der ersten Museen in Europa. Zunächst beherbergte es die Gemäldesammlung von Landgraf Friedrich II.. Dann war es die Bibliothek, in der auch die Brüder Grimm arbeiteten. Unter Napoleons Bruder Jérome tagte hier das erste deutsche Parlament im „Königreich Westphalen“. Heute ist das Gebäude Mittelpunkt der documenta. 

Und sie turnt auf dem Dach und macht einen Handstand. Eine grün schillernde Mädchenfigur aus Aluminium. Damit man sie nicht übersieht, steht die gegengleiche Figur auch unten vor dem Gebäude. Auf Zehenspitzen reckt sie sich in den Himmel. 

Es ist ein „Standortkunstwerk“. Die Künstlerin Alexandra Birken hat es geschaffen. Manche sagen, es sei Greta. Ein zierliches junges Mädchen im Handstand. „Top down / Bottom up“, heißt es. Auf Deutsch etwa: „Das Unterste zu Oberst“, eben wie jemand, der Kopf steht.

„Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen“, – mir fällt Maria ein und ihr Lied (Lk 1,46ff). Am 1. Advent singen wir es wieder: „Magnificat! – Meine Seele erhebt den Herrn!“ So singt Maria, als der Engel zu ihr tritt. Der Engel kündigt ihr an, dass sie ein Kind zur Welt bringen wird. Ein Kind, mit dem alles anders wird. „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen“. Die Welt im Handstand! Top Down / Bottom Up!

Die Unten zuerst! Die Niedrigen und die Hungrigen. Zuerst. First. Das ist Gottes Anliegen. Jesus wird das leben: Gottes Mitleiden mit den Armen, Kranken und Hungrigen. „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan,“ hat er gesagt (Mt 25,40). Von den geringsten Brüdern ist die Rede. Und die Schwestern hat er in Schutz genommen vor männlicher Gewalt wie die Ehebrecherin, die gesteinigt werden sollte (Joh 8).

Auf seine Ankunft warten wir im Advent.

Und immer, wenn ich das Lied der Maria lese, beschäftigt mich dieselbe Frage: „Gehöre ich auch zu den Reichen, die leer ausgehen werden?“

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