Vom Wünschen und Beten

Ein Wort zum Montag, dem 9. November 2020

VON CORNELIA SENG

Häufig gehe ich im Bergpark Wilhelmshöhe spazieren. Am oberen Eingang zum Park steht das „Wunsch-Tor“, ein kleiner gemauerter Torbogen. Er sollte der Eingang zu einem Tierpark werden, aber der Landgraf wurde nicht fertig mit seinen Plänen. 

In Kassel erzählt man sich, dass Wünsche, die man unter dem Torbogen spricht, in Erfüllung gehen. Man darf sie nur niemandem verraten. (Kassel ist Heimat der Brüder Grimm!)

Immer wieder mal sehe ich, wie jemand andächtig unter dem Tor innehält. Gibt es wirklich Leute, die das glauben?

Und wo ist eigentlich der Unterschied zum Beten, denke ich. Sind Gebete nicht auch Wünsche, die man still gen Himmel schickt? Okay, Gott ist kein Automat, in den man oben ein Gebet statt einer Münze einwirft und unten die Erfüllung heraus zieht.

Ende August sind wir mit einer befreundeten Familie im Bergpark spazieren gegangen. Ich erzähle E., dem 8jährigen Sohn der Familie, vom Wunsch-Tor. „Aber ich glaube die Geschichte nicht“, füge ich hinzu. „Das sagt man bloß so.“

Gleich darauf erzählt E. seiner Mutter, die hinter uns ging, die Geschichte vom Wunsch-Tor weiter. „Was würdest Du Dir wünschen“, fragt er sie. Und gibt gleich selbst die Antwort: „Ich weiß schon, dass Du nicht so viel Hausarbeit hast.“ Als sie nicht gleich antwortet, fügt er hinzu: „Ich kann Dir helfen!“ 

Ich bin gerührt. Wenn doch alle das Wunsch-Tor so verstehen würden! „Vater, segne sein Helfen“, bete ich. Möge es gelingen! Damit die Liebe und der Friede wachsen, in dieser Familie und darüber hinaus.

PS.: Sollte ich in diesen Zeiten erwähnen, dass E. und seine Eltern Muslime sind? Sie sind erst vor kurzem aus der Türkei gekommen.

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