Nizza und anderswo

VON WOLFGANG HORN

Ich bin ein Heide. Aus christlicher Sicht war das in der Geschichte der Religion der Zustand, nicht zu einer der monotheistischen Religionen zu gehören. Der Begriff wurde und wird abwertend gebraucht und bezeichnet auch nicht direkt Atheisten oder Agnostiker. Ich nutze ihn für mich, wie die Schwulen mittlerweile das ursprünglich ebenso pejorative Adjektiv als positive Kennzeichnung verwenden. 

Ich gehöre keiner Religion an. Und doch habe ich hohen Respekt vor denen, die an Gott glauben, ihr Leben mit Gott organisieren, sich von ihm und den Lehren leiten lassen, gottesfürchtig leben. Soweit gottesfürchtig vor allem auch menschenfürchtig meint und den Frieden unter den Menschen als höchstes Gut preist. Zum Respekt vor der Religion, den Religionen gehört auch die Achtung der Gotteshäuser, der Kirchen, Synagogen, Moscheen, der Dojos oder der Tempel. Wer das Gotteshaus nicht achtet, gleich, welche Gläubigen sich dort versammeln, kann nicht in Anspruch nehmen, gottesfürchtig zu leben. Ich traue niemandem und niemandes Glauben über den Weg, der die Kirche und den Tempel entheiligt. 

Da kann man lange Gottes Lob öffentlich ausrufen, es wird vergeblich sein, Gott wird sich nicht erhören lassen, wenn Menschen gepeinigt werden, kujoniert, verfolgt, gefoltert, verletzt oder getötet. Etwa, weil sie anderen Glaubens sind. Oder anders leben. Oder anders lieben. Besonders blasphemisch, besonders gotteslästerlich, besonders ekelhaft ist, wenn man Menschen in einem Gotteshaus umbringt, wenn zum Verbrechen die Schandtat hinzutritt, die Verletzung, die Entwürdigung, die Entheiligung eines Gotteshauses, weil nicht nur Menschen ermordet, sondern sogar der Glaube und sein Ort geschmäht werden.

Und eben höre ich in den Nachrichten, es, Nizza, handele sich um den Widerspruch, den Gegensatz von islamischer und westlicher Kultur. Zu welcher Kultur gehören denn die rassistischen Morde des NSU? Welche Kultur, welcher Gott hat die Ermordung Walter Lübckes befohlen? Welche Kultur hat dem Terroristen in Halle aufgegeben, eine Synagoge zu schänden und Juden zu erschießen? Ist der gleichsam industrielle Massenmord an Juden in ganz Europa durch den deutschen Faschismus bereits vergessen? Nein. Keine Kultur. Mordlust, Rassismus, Menschenfeindlichkeit gehören zur Unkultur, zur Inhumanität, zu keinem Glauben, zu keiner Gottesfurcht. Es ist Barbarei, vollständiger Kulturverlust. Die Morde in Frankreich sind wie die Morde in Deutschland und anderswo auf der Welt Verbrechen. Nicht mehr. Gleich, was die Täter rufen. Gleich, welche Manifeste sie verfassen. Gleich, welche Freunde sie versammeln. Gleich, welchen Gott sie schänden.

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