Hardliner?

VON WOLFGANG HORN

Kurios? Wenn Lauterbach, Drosten, Söder und Merkel in einem Atemzug (respektive Satz) zu Hardlinern in Sachen Corona gemacht werden. Ja, gewiß, kurios. Und unverantwortlich. Professor Lauterbach hat vor wenigen Wochen noch Schelte einstecken müssen im Netz und sozialen Netzwerken, weil er tägliche Infektionszahlen von etwa 7000 prognostiziert hatte. Und nun? Die Wirklichkeit hat die Shitstormer eingeholt, unter ihnen den Bundesvorsitzenden der Kassenärzte. 

Wenn ökonomische Interessen das Argumentieren leiten, wird zu einer Vielzahl von Gründen gegriffen, etwa daß die Infektionszahlen nicht aussagekräftig genug seien, um eine stärkere Eindämmung von Kontakten zu gebieten, andererseits die absoluten Krankheitszahlen nicht hoch genug, um Einschränkungen anzuordnen. Die Betten auf den Intensivstationen in deutschen Krankenhäusern seien (noch) nicht mit Covid-19-Patienten ausgelastet, so daß die Behörden derzeit nichts zu ändern bräuchten. Vor wenigen Tagen waren es noch Geburtsjahrgänge der Erkrankten, wegen derer man sich keine Sorgen machen müsse, blieben die Älteren doch verschont. 

Man muß kein Epidemiologe sein, um zu erkennen, daß das Infektionsgeschehen weltweit und auch hierzulande ausgesprochen dynamisch ist. Solange die Menschen lediglich der Mundschutz und der Abstand schützt, frische Luft und Hygiene, solange müssen die Behörden dafür sorgen, daß Feste und Events mit vielen Teilnehmern in Innenräumen nicht mehr stattfinden. Solange muß verhindert werden, daß alkoholisiert Feiernde die vorgegebenen Regeln vergessen. Solange müssen die Behörden dafür sorgen, daß Kontakte drastisch eingeschränkt werden. Je größer die Zahl der Infizierten ist, desto größer ist auch die Gefahr, mit dem Virus in Kontakt zu geraten und es gegebenenfalls weiterzugeben an jene, deren Widerstandskraft geschwächt ist. 

In Berchtesgaden waren es, wie man hört, vermutlich zwei Feste, die den Ort zum Hotspot gemacht haben. Und da soll der Ministerpräsident der Hardliner sein? Weil er ständig mahnt? Hardliner sind die Uneinsichtigen, jene die feste feiern, ohne Rücksicht, die sich einen Scheiß um die Folgen scheren. 

Hardliner sind jene, die die Maske vor dem Mund zur Grundrechtsfrage aufplustern. Hardliner sind die, für die das ökonomische Überleben beispielsweise von Hotels, Restaurants und gastronomischen Betrieben vor dem Schutz vor einer Erkrankung von Menschen rangiert. Hardliner sind alle, die mit eherner Gewißheit Wahrheiten aus der medizinisch-epidimiologischen Wissenschaft verkünden und gesellschaftlich-politische Entscheidungen in aller Strenge bewerten, Daumen hoch, Daumen runter, als seien sie ausgewiesene Wissenschaftler oder verfügten sie über grandiose Kompetenzen als Politiker. 

Die Pandemie bringt das nachdenkliche Abwägen, die vernünftige Skepsis, das bedächtige Argument, den Zweifel und die Vorsicht zum Erliegen. Gefragt ist das flotte Nein, so geht das nicht. Punkten kann man offenbar mit Weisheiten à la: Streeck ist der Virologe für die zweite Welle. Die, die zu entscheiden haben, machen immer und alles falsch. So einfach ist das. Immer ist das Gegenteil von dem richtig, was verkündet wird. Die Negation regiert. Die Negierer werden ja auch nicht nach ihren Vorschlägen befragt. Sie müssen keine Verantwortung übernehmen. Nicht einmal für ihre Sätze. Da läßt sich gut opponieren.

Nein, weder sind konservative Politiker wie Merkel oder Söder Hardliner, noch medizinische Experten wie Lauterbach oder Drosten. Hardliner sind Menschen, die gegen jeden Kompromiss und gegen jeglichen Widerstand für die Durchsetzung eines politischen Ziels eintreten. Das kann ich im vorliegenden Fall nicht erkennen. Ich bin im Gegenteil froh, daß in unserem Land so viel erkennbar Richtiges beschlossen und angeordnet worden ist, auch wenn es unbequem war und ist, ungewohnt, unangenehm, wenn es den gewohnten Alltag einschränkt. Deutschland hat bislang vergleichsweise wenige Opfer des pandemischen Geschehens zu verzeichnen. Weniger, als um uns herum in Europa normal zu sein scheint. Daraus kann man keinen anderen Schluß ziehen, als daß wir in der Krise nicht so schlecht regiert werden, wie das wenige Scharfmacher immer wieder gegen jede Empirie behaupten.

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