Ernte – Dank – Fest

Ein Wort zum Montag, dem 5. Oktober 2020 

VON CORNELIA SENG

„Warum betet ihr eigentlich ‘Unser täglich Brot gib uns heute‘, solange die Läden noch offen sind“, fragte damals verschmitzt Samuel, der Assistent des Bischofs aus Geita, der Partnergemeinde in Tansania. Erst da ist mir aufgefallen, dass Nahrungsmittel bei uns immer und überall zur Verfügung stehen.

Ich habe tatsächlich noch nie hungern müssen. In der Generation unserer Eltern war das anders. Unter dem Wahn der Nazis hatte Deutschland einen Krieg begonnen und damit unendlich viel Leid über die Welt und das eigene Volk gebracht. Nach Kriegsende schrieb mein Schwiegervater an seine damalige Braut, meine Schwiegermutter, als sie zu Besuch in eine Metzgersfamilie fuhr: „Iss Dich mal richtig satt!“. Sie haben richtig gehungert.

Von den Eltern haben wir die Sitte übernommen, vor dem Essen ein Dankgebet zu sprechen. „Wir sagen ein Sprüchlein auf“, nannte es meine Tochter. Ja, es ist ein Ritual: Vor dem Essen wird gebetet. Aber für mich ist es mehr als ‚ein Sprüchlein’. Es erinnert mich daran, dass gesunde Nahrungsmittel wachsen müssen, – das ist nicht selbverständlich. Nahrungsmittel sind Leben. Gott ist der Geber und Erhalter des Lebens. Ihm verdanke ich mein Leben, Tag für Tag. Daran erinnert mich das Tischgebet.

Aber das Gebet entlässt mich nicht aus der Verantwortung für das, was da vor mir auf dem Teller liegt. Im Gegenteil. Wurde das Tier artgerecht gehalten? Konnte es sich an seinem Leben freuen? Wer hat das Fleisch geschlachtet und wurde er dafür gerecht entlohnt? Haben Flüchtlinge in Süd-Spanien das Gemüse geerntet und unter welchen Bedingungen leben sie dort? Hat der Reisbauer einen fairen Preis erhalten, damit er seine Kinder zur Schule schicken kann? Und wie ist es mit meiner täglichen Tasse Kaffee? – Heute kommen noch Überlegungen über den Verpackungsmüll dazu. Mit dem, was ich kaufe und was ich esse, entscheide ich mit über unsere Welt.

Diese vielen Entscheidungen sind anstrengend. Meine Eltern kannten solche Überlegungen noch nicht. Es wurde gegessen, was auf den Tisch kam. Die Welt war übersichtlicher, einfacher. Ich habe mir allzulange auch keine Gedanken über meinen Einfluss gemacht. Das will ich ändern, nicht nur an diesem Erntedankfest.

„Zwei Dinge HERR sind not; die gib durch Deine Huld. Gib uns das täglich Brot, vergib uns unsre Schuld.“

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