Re-Launch des Philosophischen Cafés im Haus Eifgen zur Corona-Krise
VON WOLFGANG HORN
Sie kamen wieder, mit der Alltagsmaske Mund und Nase verdeckend, diszipliniert den Einbahnweg im Haus Eifgen zum großen Saal nutzend, in dem Stühle im Kreisrund, aber mit gehörigem Abstand platziert waren, um sich dort erst, am Platz, von der Maske zu befreien. Nach Corona-Pause und Lockdown fand gestern Abend wieder das Philosophische Café im Haus Eifgen statt. Thema, natürlich: „Corona. Nichts wird so sein wie zuvor“. Weit mehr als dreißig Männer und Frauen, die an kritischer Debatte in respektablem Ton interessiert waren, an bürgerlich-gediegenem Gedankenaustausch, versammelten sich im Haus Eifgen. Die Coronapause hat der Nachfrage nach Philosophie und Diskussion keinen Abbruch beschert.
Uwe Christoph und Joachim Schulte, die Initiatoren der Gesprächsrunde, führten ins Thema ein. Tenor: Corona hat in der Tat viel verändert im Land. Abgesehen von Wortschöpfungen, die sich sehr schnell in den Alltagssprachgebrauch eingenistet haben, etwa Lockdown, Coronaparty, Pandemie oder Tröpfcheninfektion, habe die Pandemie die Gesellschaft durchaus bereits verändert. Onlinekommunikation habe zugenommen, der Aktienwert des Kommunikationsprogramms „Zoom“ sei in den letzten Wochen um das Vierfache gesteigert worden und Experten prognostizierten einen Rückgang des Bedarfs an Büroflächen um mehr als 25 Prozent. Eine Folge vom Home-Office und Onlinemeetings. Sehr kritisch wurde registriert, daß in den Lockdownzeiten das System Schule zusammengebrochen sei. Kaum eine gesellschaftliche Sphäre sei so wenig auf die Krise und ihre digitalen Folgen vorbereitet gewesen wie das Bildungssystem. Moniert wurde zudem, daß die Anzahl der Verordnungen und Gesetze, der Regelungen und Bestimmungen der Exekutive Überhand genommen habe und Einschränkungen der bürgerlichen Grundrechte eigentlich ordentlich parlamentarisch zustande gekommener Gesetze bedurft hätten.
In der Debatte wurde das Befremden artikuliert, das die in der Bevölkerung spürbare Begeisterung über Verbote und Einschränkungen hervorgerufen habe. Die Politik habe vielfach überzogen reagiert. Andererseits gab es Lob für das solidarisch-verantwortliche Verhalten der übergroßen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, das als Zustimmung und Unterstützung für die Kerngedanken des Grundgesetzes gewertet werden dürfte.
Skepsis war spürbar, ob denn nunmehr, durch die Krise, erforderliche Veränderungen in Politik und Gesellschaft tatsächlich durchgesetzt werden können, etwa eine bessere Bezahlung der Menschen in der Pflege und im Gesundheitswesen oder eine bessere Vorsorge für Krisen dieser Art.
Dagegen äußerten andere Besucher, daß sie die Chance für eine auch spürbare Veränderung der Arbeits- und Lebensweise in unserem Land für verbessert ansehen. Nicht zuvor in den vergangenen Jahrzehnten habe man mit soviel Verständnis eine Überwindung der allergrößten Irrtümer neoliberaler Gesellschaftspolitik fordern können. Warum dient das privatisierte Gesundheitswesen der Erzielung von Profit, warum werden notwendige Medikamente in Indien und China, nicht aber in Europa und Deutschland produziert? Der vorherrschende Leistungsbegriff in der Gesellschaft werde nach und nach hinterfragt und an mehr soziale, statt lediglich an ökonomische Bedingungen geknüpft.
Wie gewohnt, eine muntere und zivilisierte Debatte im Haus Eifgen. Ich freue mich schon auf die nächsten Gesprächsrunden. Es hat doch etwas gefehlt in der Coronahochzeit.