Was ich vermisse: Das Abendmahl und die Willkommenskultur

Ein Wort zum Montag, dem 27. April 2020 

VON CORNELIA SENG

Ich bin gerne unter Menschen. Gemeinschaft vermisse ich gerade sehr. Und ich vermisse das Abendmahl. Gerade jetzt, da der Kopf und das Herz verwirrt sind. Beim Abendmahl nimmt Jesus leiblich in mir Platz. Das kann ich körperlich spüren: “Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist!”. Auch wenn der Kopf verwirrt ist und das Herz nur halb bei der Sache. “Ich glaube, hilf meinem Unglauben!”, möchte ich mit der Jahreslosung rufen.

“What would Jesus do”, habe ich in der Schule bei kniffligen ethischen Entscheidungen die Schüler und Schülerinnen fragen lassen. “W.W.J.D.” steht auf den Armbändchen.

“What would Jesus do?”, war die ausschlaggebende Frage in der Willkommenskultur. “Ich war ein Fremder, und ihr habt mich aufgenommen” (Mt. 25,35), hat Jesus gesagt. Aufnehmen! Nicht Distanzieren! Dementsprechend haben wir Nähe, nicht Distanz zu Fremden gesucht. Verstehen braucht Miteinander, nicht Auseinander. Nächstenliebe in “sozialer Distanz” war Jesus fremd. Bis heute bin ich überzeugt, dass “Integration” reale Begegnungen braucht. Ich lasse die Fremden sehen, wie ich das Leben verstehe. Und sie lassen mich schmecken, was man in ihrer Kultur kocht und isst. Nur so kann ein neues gesellschaftliches Miteinander entstehen. Hat die Corona-Krise dem ein endgültiges Ende gesetzt? Gibt sie gar denen Recht, die Menschen auseinander dividieren, die Menschen sortieren wollen in Volks- und Religionsgruppen? Oder ist sie nur ein Zwischenspiel, und wir werden nach der Krise mehr gesellschaftliches Miteinander gelernt haben? Ich weiß es nicht. Wie gesagt: Kopf und Herz sind verwirrt. 

Bei jeder Abendmahlsfeier habe ich mir heimlich vorgestellt, dass ich dereinst mit all den Menschen, mit denen ich je in meinem Leben Abendmahl gefeiert habe, im Reich Gottes vereint sein werde. Mit vertrauten Menschen, die mich viele Jahre meines Lebens begleitet haben, mit Konfirmanden, denen das Abendmahl irgendwie peinlich und ungewohnt war, und mit den Freunden in Amerika und aus Afrika.- Welche Vielfalt! Ich sehne mich nach dieser Gemeinschaft.

Im Moment zehre ich von den Erinnerungen und halte diese “demokratische Zumutung” schweren Herzens aus. Und ich berge meine Sehnsucht in Psalmworten: “Ich harre des Herrn, meine Seele harret, ich hoffe auf sein Wort. Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen” (Ps 130, 5f).

“Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott Dich fest in seiner Hand.”

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