Erfahrungen aus einer Gesellschaft gelebter Hilfsbereitschaft

VON WOLFGANG HORN

Per Messenger fragte gestern unser Freund B. an, wie wir denn unsere Einkäufe bewerkstelligten. Meine Frau ist 70, ich bin 69 Jahre alt, beide in Ehren ergraut, nein: beide schlohweiß. Wir zählen zur Risikogruppe, die sich strikt an die Reduzierung von Kontakten halten und sich nicht mehr in den Alltagstrubel samt Vorratseinkäufen für längere Zeiten stürzen sollten. Meine Frau laboriert noch an einer Erkältung und ich war vor Kurzem noch Patient im hiesigen Krankenhaus.

Unser junger Freund B. lebt seit einigen Jahren in Wermelskirchen. Ursprünglich stammt er aus Bangladesch. B. ist anerkannter Flüchtling, bestens in Wermelskirchen integriert, mit ausgesprochen guten Deutschkenntnissen und absolviert derzeit mit großem Erfolg seine zweite Ausbildung. B. also fragt nach und bietet uns an, Einkäufe für uns zu erledigen. Die kleine Liste ist schnell erstellt, Brot, Butter, Käse Wurst, Milch, ein wenig Gemüse. Nun hätte B. die Einkäufe für uns erst nach seiner Arbeit, am späten Nachmittag durchführen können. Und aus diesem Grund hat er sich selbständig mit einem anderen gemeinsamen Freund, St., abgesprochen, der noch vormittags Zeit hatte, so daß uns die gewünschten Lebensmittel sehr schnell erreichen konnten. So funktioniert eine Gesellschaft gelebter Hilfsbereitschaft.

Den Charakter unserer Gesellschaft bestimmen nicht die Egoisten und die Egomanen, nicht jene, die eine Hauptrolle für sich und gegen andere beanspruchen. Der Charakter unserer Gesellschaft, ihr Wert bemißt sich nach der Empathie für den anderen, nach der Hilfe, die man Schwächeren zuteil werden läßt. Die Achtsamkeit, die Empfindsamkeit für die Nöte und Sorgen anderer, die macht den Charakter unseres Gemeinwesens aus. Nächstenliebe, Solidarität, Respekt, Achtung. Das sind Grundpfeiler sozialen Zusammenlebens. Nicht die Rasierklingen an den Ellenbogen, mit denen Mitbewerber – um den Arbeitsplatz, um gutes Einkommen, eine gesellschaftliche Stellung, das Studium, finanziellen Erfolg, was auch immer – nieder konkurriert werden sollen. Erfolg ist nicht immer Leistung. Leistung nicht immer Erfolg. Der Markt alleine bringt nichts Soziales hervor. Nichts ist First. Kein Land, kein Mensch, keine Gesellschaft, keine Idee.

Lieber B., lieber St. vielen Dank für Eure Hilfe. Vielen Dank für die Erfahrung, Hilfe angenommen zu haben. Wir haben vor Kurzem noch in diesem Forum auf eine Initiative der Kirchengemeinden, von Willkommen in Wermelskirchen, der Tafel und der Caritas hingewiesen, die Hilfsdienste für ältere Menschen, für jene mit einer Risikoerkrankung organisiert. Mein Fazit: Nehmt diese Hilfe in Anspruch. Für andere da zu sein, macht unsere Gesellschaft besser. Nachbarschaftliche Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen, ebenso. 

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Rainer Groß-Hardt
    • 20.03.20, 9:44 Uhr

    Gefällt mir sehr was hier steht. Alles Gute für die mit guten konstruktiven Beiträgen für ein Miteinander sorgen. Humanity First.

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