Der Rat der Stadt Wermelskirchen und die Menschlichkeit

VON MICHAEL FAUBEL

Wermelskirchen | In diesen Tagen treiben uns die Sorgen um genügend Toilettenpapier, Mehl und Nudeln um. Doch es gibt eine weitere Sorge, viel tragischer, mit vielen menschlichen Schicksalen versehen, von Europa seit einiger Zeit gegen Bezahlung ausgeblendet und doch plötzlich wieder da: Flüchtlinge. Die Bilder aus den Lagern und von der Situation an den Grenzen sehen wir in den Medien, der Handlungsbedarf ist offensichtlich.

Und deshalb hatten SPD Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam einen Eilantrag für die gestrige Ratssitzung gestellt.

Dieser Antrag hatte das Ziel, dass die Stadt Wermelskirchen ihre Bereitschaft erklärt, aus humanitären Gründen minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die sich in den Lagern auf griechischen Inseln und im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Griechenland befinden, aufzunehmen, wenn die rechtlichen Bedingungen von Seiten der Bundesregierung dafür vorliegen. Voraussetzung für diesen Schritt sei jedoch eine verwaltungsinterne Prüfung, ob und für welche Zahl die erforderlichen Ressourcen für eine Aufnahme dieser Flüchtlinge in Wermelskirchen vorhanden sind. So der Wortlaut des Antrages

Was nun folgte, waren juristische Begründungen seitens der Verwaltung und der CDU-Fraktion, warum man diesen Antrag gar nicht im Rat der Stadt zu behandeln habe. Wermelskirchen bekäme auch ohne diesen Antrag Flüchtlinge zugewiesen und sei dann auch verpflichtet, diese dann aufzunehmen. Ebenso solle man eine Europäische Lösung für die Verteilung der Flüchtlinge anstreben. Europa dürfe sich nicht durch den türkischen Staatschef unter Druck setzen lassen, was ja auch richtig ist. Aber dennoch kann man doch nicht die Augen vor dem menschlichen Elend verschließen!

Bei der Begründung des Antrags durch den SPD Fraktionsvorsitzenden Jochen Bilstein, in der er noch einmal die Kinder und Jugendlichen, die alleine, traumatisiert und verzweifelt seien, eindringlich beschrieb, hatte man dann das Bild vor Augen, wie ein Schlauchboot mit Flüchtlingen von einem Schiff der Küstenwache bedrängt wird. Nur waren in diesem Fall in dem Schlauchboot die Befürworter des Antrages und die Besatzung des Küstenwachenschiffs setze sich aus den Ablehnern zusammen.

Und dann kam es auch so, wie es sich von Anfang an andeutete: der Antrag wurde abgelehnt. Stimmenmehrheit siegt über einen Akt der Menschlichkeit.

Kommentare (7) Schreibe einen Kommentar

  1. Das finde ich beschämend. Wenn man selbst sicher und geschützt, im warmen Wohnzimmer, satt und in Freiheit lebt, Flüchtlingskindern hartherzig die Tür zuhält, ist das zutiefst inhuman. Ich hätte mir vom Rat der Stadt Wermelskirchen eine andere Entscheidung gewünscht.

    Antworten

      • Rainer Groß-Hardt
      • 10.03.20, 8:16 Uhr

      Ich stimme Fr. Lichtenberg zu , im ganzen Satz. Ist nichdas Thema aber
      ähnlich stört mich das Desinteresse der Politik endlich für die Tafel Räumlichkeiten anzubieten – kostenlos . Dort sind auch Bedürftigte und ehrenamtliche Helfer die seit Jahren alleingelassen sind . In beiden Fällen ist zeitnah Hilfe zu geben .

      Antworten

    • stefan wiersbin
    • 10.03.20, 8:11 Uhr

    Als Bürger dieser Stadt, als Europäer und Christ schäme ich mich!

    Antworten

    • Dorothea Hoffrogge
    • 10.03.20, 9:22 Uhr

    Zutiefst betroffen nehme ich diese Entscheidung zur Kenntnis.
    Wie können wir bei so viel Leid nur zuschauen statt Hilfe zu geben?

    Antworten

    • Rainer Bleek
    • 10.03.20, 10:21 Uhr

    Hier wird leider einiges vermischt. Die Verwaltung hält nicht die Tür zu und hat auch nicht gegen die Aufnahme von Flüchtlingen votiert. Sie hat lediglich darauf hinweisen müssen, dass – egal wie der Rat entscheidet – er nicht zuständigen ist. Die Stadt hat alle Flüchtlinge aufzunehmen und zu betreuen, die ihr zugewiesen werden. Darüber entscheiden ausschließlich Bund und Land. Selbst wenn weitere minderjährige Flüchtlinge in unsere Stadt kämen, müssten wir sie der Zentralstelle melden, und die würde sie dann verteilen, und zwar zunächst auf die Städte, die ihre Quote noch nicht erfüllt haben.

    Antworten

      • Heidbuechel
      • 10.03.20, 13:32 Uhr

      Lieber Herr Bleek, ein Zeichen setzen wäre das Maß aller Dinge gewesen und über gewisse Formalitäten hinwegsehen.
      Chance verpasst!!!!

      Antworten

    • Stefan Janosi
    • 10.03.20, 12:23 Uhr

    Unser gemeinsamer Antrag hat es wegen Formalien nicht auf die Tagesordnung der Ratssitzung geschafft. Als primäre Begründung wurde sowohl die Zuständigkeit der Stadt Wermelskirchen bestritten, als auch die Zuweisungen durch den Königssteiner Schlüssel als Argument angeführt.
    Formaljuristisch ist das vielleicht richtig, nur haben dann 18 verantwortungsvoll handelnde Städte in NRW und deren Räte gegen diese Formalien verstoßen. Die Politiker in Leverkusen, Dortmund, Krefeld, Düsseldorf, Hünxe, Dinslaken, Brilon und 12 weitere Kommunen in NRW und 140 in Deutschland haben entscheiden “besonders schutzbedürftige Personengruppen an den EU-Außengrenzen, insbesondere aber Minderjährige aus Flüchtlingslagern in Griechenland, über die reguläre Aufnahmequote hinaus aufzunehmen.”
    Dieses Signal allein wäre wichtig gewesen.

    So entsteht der Eindruck das die Mehrheit im Rat der Stadt Wermelskirchen dieser humanitären Katastrophe tatenlos zusieht. Statt Verantwortung zu übernehmen, verstecken wir uns hinter Formalien und Zuständigkeiten.
    Wir hätten, wie vielen unserer Kollegen in 140 deutschen Städten handeln können. Diese Chance wollte die politische Mehrheit nicht nutzen. Der Rat stimmte auf Nachfrage dagegen diesen Punkt in die Tagesordnung aufzunehmen.
    Aus unserer Sicht ein fatales Signal, das Wermelskirchen in einem schlechten Licht erscheinen lässt.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.