„Ich bin doch nicht rechts! Ich bin doch nur konservativ.“

VON ISABELL KNIEF

Am 8. Februar hatte das Forum Wermelskirchen auf die Veranstaltung in der Melanchthon-Akademie in Köln mit dem Titel “Die Angstprediger” hingewiesen. Die Kölner Journalistin Isabell Knief hat nun im Kölner Südstadt-Magazin “Meine Südstadt” Inhalte und Verlauf dieser Veranstaltung beschrieben. Wir übernehmen diesen Beitrag mit freundlicher Genehmigung der Redaktion sowie der Autorin. Vielen Dank:

Köln | „Gott will es“ titelt ein AfD-Kreisverband, der mit einem Jesusbild für sein politisches Programm wirbt – und Amtsträger der CDU und Kirchen distanzieren sich. Doch nicht alle ziehen die Grenzen so klar, wenn es um den Unterschied zwischen Konservatismus, Christentum und neuen Rechten geht. Über 60 Besucher waren in die Melanchthon-Akademie gekommen, um bei der Veranstaltung „Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirche unterwandern“ darüber zu diskutieren, mit welchen Mitteln neue rechte Strömungen versuchen, die Religion für sich zu vereinnahmen.

Das Podium teilten sich an diesem Abend zwei Gäste, die das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchteten. Die Publizistin und Juristin Dr. Liane Bednarz sprach über Strukturen und Personen der rechten Szene und gab tiefe Einblicke in die Strategien der neuen Rechten. Arnd Henze nahm den Blickwinkel der Gemeinden ein. Der Theologe und Journalist war jahrelang Moderator der Diskussionen im Dellbrücker Forum an der evangelischen Christuskirche, bei denen aktuelle Themen aufgegriffen wurden. Er beschäftigt sich in seinem neuen Buch „Kann Kirche Demokratie?“ mit den aktuellen Herausforderungen für den Protestantismus.

Die Rhetorik verändert sich

Bednarz beschrieb sich selbst als konservativ. Ihr war es ein Anliegen, die Unterschiede zwischen rechtem und konservativem Denken an diesem Abend aufzuzeigen. Sie habe in ihrem eigenen Umfeld miterlebt, wie sich die Rhetorik konservativer Bekannter in den letzten Jahren verändert habe. In ihrem Vortrag zeichnete sie Entwicklungen seit der Weimarer Republik nach, ging auf Schlüsselfiguren wie Armin Mohler ein und entlarvte aus ihrer Sicht „die nationalistischen, völkischen und menschenfeindlichen Positionen einer neuen Rechten“, die sich damals wie heute aus strategischen Gründen als konservativ bezeichne.

Konservatismus pflegt Erinnerungskultur

Gutenberg-Bibel, Kongressbibliothek, Washington, D.C. (2002) © Mark Pellegrini on August 12, 2002. I hereby release it under the GFDL CC BY-SA 3.0

„Rechtes Denken fußt im Grunde auf drei Säulen: Antipluralismus, Antiliberalismus und Ethnopluralismus“, machte Bednarz deutlich. Ethnopluralismus bedeutet aus Sicht der Rechten die „Reinhaltung“ von Staaten und Gesellschaften von anderen „Ethnien“. Konservatismus verteidige, so Bednarz, Werte wie Familie und Nation, verstehe diese jedoch nicht als ausschließend, sondern als durchaus offen. Und auch der Umgang mit der eigenen Geschichte unterscheide sich grundlegend: „Konservatismus pflegt dezidiert eine Erinnerungskultur – im Gegensatz zu Rechten“.

Grenzen der Lager verschwimmen

Und trotzdem ähnelten sich Symboliken und Formulierungen von konservativen Christen und Rechten, die Grenzen beider Lager würden in den vergangenen Jahren immer mehr verschwimmen. Die neuen Rechten inszenierten sich gezielt als konservativ und christlich, so Bednarz. Sie begründeten ihre menschenfeindlichen Aussagen mit Bibelstellen, beriefen sich auf konservative Werte und würden durch diese Strategie Zulauf in bürgerlichen Milieus gewinnen. Die Wahlerfolge der AfD sprächen für sich.

Dass die CDU stärker in die bürgerliche Mitte gerückt sei, hat laut Bednarz diese Entwicklung zumindest nicht verhindert. Ist die AfD also eine neue Partei für konservative Politik? „Wir müssen uns von der Illusion befreien, dass bürgerliche Sprache heißt, dass die Positionen gemäßigter werden“, machte Arnd Henze deutlich. Selbstverharmlosung sei eine Taktik von Rechtspopulisten und der neuen Rechten: „Sie ist mit dieser Strategie, bürgerlich zu sein, leider sehr, sehr erfolgreich“, konstatiert Henze.

„Hausaufgaben als Kirche machen

Der Theologe beleuchtete in seinem Vortrag auch die Anfälligkeiten von Christen und Christinnen für autoritäres, nationalistisches und ausgrenzendes Denken. Henze forderte, dass sich die Kirche mehr mit den blinden Flecken ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen und rechtspopulistische Tendenzen in den eigenen Reihen stärker angehen müsse. Auch die kirchlichen Gemeinden seien stärker gefragt. „Wir müssen unsere Hausaufgaben als Kirche machen. Wir haben Anfälligkeiten, aber auch Ressourcen.“ Für den Theologen stand fest: „Es nutzt nichts, diese Gefährdung zu beklagen und zu bejammern – die Kirchen benötigten einen Lernprozess, um wieder sprechfähig zu werden.“ Es gehe auch darum, den öffentlichen Raum wieder stärker zu besetzen. Das betreffe die Kirchengemeinden ebenso wie die Zivilgesellschaft.

Protest gegen Franklin Graham

Als Henze berichtete, dass Franklin Graham beim „Festival of Hope“, einem evangelistischen Groß-Event in der Lanxess-Arena, auftreten wird, regte sich im Publikum Empörung. Der Evangelikale Graham ist für seine homophoben und islamfeindlichen Predigten bekannt. Etliche Veranstalter luden ihn in Großbritannien wegen großer Proteste wieder aus. Das Publikum war sich an diesem Abend einig, dass der Besuch Franklin Grahams einen guten Anlass böte, aufzuklären und Haltung zu zeigen. Denn letztlich müssten sich alle die Frage stellen: Wie gehen wir damit um, als liberale, als weltoffene Gesellschaft in Köln?

Beitragsfoto: Stefan Rahmann

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