Die Geschichte vom Kern in der Mandarine

Wort zum Montag, dem 24. Februar 2020

VON CORNELIA SENG

Mandarinen kaufe ich gerne „kernlos“. Einmal habe ich mir eine Mandarine geschält, die Schalen ordentlich im Biomüll entsorgt und mich auf das saftige Fruchtfleisch gefreut. Doch es war ein Kern in der Mandarine! Ich war zu bequem, noch einmal aufzustehen und zum Mülleimer zu gehen. Da kam mir der Blumentopf auf der Fensterbank gerade recht! Etwas verschämt habe ich den unerwarteten Kern in den Blumentopf gespuckt zu der anderen, schon großen Pflanze. Mit dem Daumen habe ich ihn unter die Erde gedrückt, damit er nicht mehr sichtbar war. Fertig entsorgt – dachte ich!

Wochen danach, ich hatte die Aktion längst wieder vergessen, keimt eine kleine grüne Pflanze am Rand des Blumentopfs! Und sie wächst und treibt neue Blätter. Inzwischen habe ich ihr einen eigenen Topf gegönnt. Und bewundere täglich ihr Wachstum! Wie lebendig sie wächst! Statt „Entsorgung“ des störenden Kernes – ein neues, quietschgrünes Leben!

Manchmal bin ich niedergeschlagen: Was soll alles Reden und Schreiben? Wird irgendetwas daraus erwachsen? Hat mein Reden und Tun überhaupt Folgen? Macht es Sinn, unablässig an die Menschenwürde zu erinnern? Mahnwache vor der Synagoge und dem Rathaus zu stehen gegen Antisemitismus und Rassismus und mit den OMAS GEGEN RECHTS zu warnen vor den Folgen von rechtsextremem Gedankengut?

Seht ein Samenkorn an, sagt Jesus. Es ist winzig klein und doch wird daraus ein großer Baum werden. In ihm werden die Vögel nisten. So ist es auch mit dem Reich Gottes: Jetzt kommen Euch Eure Taten und Worte ganz unbedeutend vor, klein und unauffällig, ihr bemerkt sie kaum. Doch Gott lässt daraus Großes wachsen, so groß, wie ihr es jetzt noch gar nicht erahnen könnt. (Mt.13,31f)

In diesem Vertrauen war Jesus unterwegs. Und ich will ihm folgen. Das kleine Mandarinenbäumchen erinnert mich tagtäglich daran.