Ein vorzüglicher Kinoabend

Unterhaltung, Bildung, Spannung im ehrwürdigen Film-Eck

VON WOLFGANG HORN

Wermelskirchen | Das Film-Eck war sehr gut besucht heute Abend: KirchenKino war angesagt. Mit einem der schweren Zeit angemessenen Film. “Wir sind Juden aus Breslau”. Schließlich hatte das KirchenKino vor sechzehn, siebzehn Jahren seinen Ursprung im Kontext des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar. Und heute, zwei Tage nach dem Gedenktag, lief der Kinodokumentarfilm von Karin Kaper und Dirk Szuszies. Über Mitglieder der ehemals drittgrößten jüdischen Gemeinde in Deutschland, nach Berlin und Frankfurt, in Breslau, heute Wroclaw.

In seiner Vorstellung von Karin Kaper, der Co-Regisseurin des Films, die eine Einführung hielt und am Ende für ein Filmgespräch zur Verfügung stand, wies Peter Siebel von der Diakonie Wermelskirchen auf die Ereignisse in dieser Woche in unserer Kleinstadt hin. Auf die Versuche der AfD, vom Holocaust-Gedenktag abzulenken, auf den stillen Protest so vieler Bürgerinnen und Bürger vor dem Rathaus als unüberhörbare Antwort der Zivilgesellschaft auf völkisch-nationalistische Bestrebungen. “Ich bin froh, dabei gewesen zu sein”, so Siebel. Spontaner Beifall brandete nach diesem Statement im Publikum auf. 

In ihrer kurzen Einführung verwies Karin Kaper auf die Schirmherrschaft und Unterstützung der Antisemitismusbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, für das Filmprojekt und auch die morgen Vormittag im Film-Eck stattfindende Sondervorführung des Film für eine ganze Jahrgangsstufe des Gymnasiums.

Der Kinodokumentarfilm behandelt Schicksale jugendlicher Juden aus Breslau nach 1933. Ein Film von aktueller Brisanz, der ein eindringliches Zeichen setzt gegen stärker werdende nationalistische und antisemitische Strömungen in Europa. Ein Film, der aufzeigt, wohin eine katastrophale Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen führt. Ein Film, der anhand der Lebensschicksale der Protagonisten auch die Gründung des Staates Israel mit den Erfahrungen des Holocaust in Verbindung setzt.

Ungeheuer detailreich, spricht der Film lediglich aus den Äußerungen der älteren jüdischen Protagonisten, unter ihnen Fritz Stern oder auch Walter Laqueur, sowie ihrem Zusammentreffen mit jungen Menschen aus Deutschland und Polen. Im Tagesspiegel schrieb Peter von Becker: „Ein filmisches Denkmal, erschütternd und erhellend. Um das Aufeinandertreffen der letzten Zeugen mit den Mädchen und Jungen von heute ziehen die Filmemacher Kaper und Szuszies ihre behutsamen Kreise: von Breslau einst und jetzt, von Orten der Emigration mit Szenen auch aus Israel, den USA oder Frankreich, im Wechsel zwischen historischen und aktuellen Aufnahmen, Einzelinterviews, Dialogen mit den Jugendlichen und erstaunlichen Begegnungen.“ 

“Wir sind Juden aus Breslau” ist zwar bereits im Dezember 2016 uraufgeführt worden, doch heute, jetzt, so aktuell, wie ein Film nur sein kann. Ein Film gegen Nationalismus und Antisemitismus, deutschen oder polnischen oder jeglicher anderer Couleur. Ergreifend, erklärend, packend. 

Schade, daß, in einer Woche wie dieser, wiederum nur ganz wenige Vertreter politischer Parteien oder auch der Presse den Weg ins Film-Eck gefunden haben. Die Auseinandersetzung mit nationalistischer Verblendung ist aktuell so erforderlich wie kaum je zuvor in den letzten Jahren. Und das KirchenKino rüstet für die Debatten in diesem Kontext. Auch in den Parteien, auch bei Mandatsträgern, auch Menschen, die in der Kommunalpolitik tätig sind. Nach der Vorführung blieben ungewöhnlich viele Besucher auf ihren Stühlen sitzen und hörten sich die Erläuterungen von Karin Kaper über die Bedeutung einiger Protagonisten, die Umstände der Produktion dieses Films und die Schwierigkeiten bei der Strukturierung und Montage des Drehmaterials an. Ein gelungener, ein vorzüglicher Kinoabend im Film-Eck.

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