Ich bin nicht Petrus. Leider

Wort zum Montag, dem 20. Januar 2020

VON CORNELIA SENG

Gestern Abend am Frankfurter Hauptbahnhof. Es war ein schöner Tag mit Besuch im Museum und vertrauten Gesprächen mit einer guten Freundin.

In der Unterführung zum Bahnhof kommt eine einfache Frau auf uns zu. Sie ist mit einem Rollator unterwegs, hat ein dick geschwollenes blaues Auge und sieht auch sonst leidend aus. Wir bleiben stehen. Ob sie uns etwas fragen dürfe? Sie sei heute aus dem Krankenhaus entlassen worden. Einen Schlafplatz habe sie. Aber sonst fehle ihr alles, Duschgel und so. Wir nicken teilnahmsvoll. Wie wir ihr helfen könnten? Etwas zögerlich antwortet sie: Slipeinlagen, sie hätte gerne Slipeinlagen.

Okay, mit so etwas kennen wir uns aus. Wir stehen genau vor der Filiale eines Drogeriemarktes und haben noch eine gute halbe Stunde Zeit. – Die können wir ihnen kaufen, sagen wir und blicken in Richtung Laden. Wollen sie hier auf uns warten? Sie nickt erleichtert.

Im Geschäft albern wir rum. – Also ich hätte ihr ja 5 Euro in die Hand gedrückt, sagt meine Freundin lachend. Sie will doch bloß Geld. Ich nicke, – vermutlich stimmt das. So sind unsere Erfahrungen. Menschen wollen uns nur als Geldgeber. Bestimmt ist sie gleich gar nicht mehr da. Trotzdem. Beherzt suchen wir Slipeinlagen, die etwas stärkeren wollte sie. An der Kasse legt meine Freundin das Geld hin. Ob diese Aktion Sinn macht?

Vor dem Geschäft sitzt die erschöpfte Frau auf ihrem Rollator und ist eingeschlafen. Wir gucken uns beschämt an. Sie hat also doch auf uns gewartet! Ich fasse sie sanft am Arm und spreche sie an, die Packung Slipeinlagen in der Hand. Sie nimmt sie dankbar. Wir wüssten ja gar nicht, wie sehr wir ihr geholfen hätten! Wir verabschieden uns mit guten Wünschen. Ob ihr das wirklich hilft? Vermutlich nicht. Ich hätte ihr wenigstens meinen Leinenbeutel aus der Handtasche noch geben sollen. Was soll sie mit einer Packung Slipeinlagen in der Hand? Wir sind uns der Mangelhaftigkeit unseres Tuns bewusst. Was sie wirklich braucht, ist jemand, der sie gesund macht an Leib und Seele. Der das Armutssystem sprengt, in dem sie lebt, jemand der sie vor gewalttätigen Übergriffen bewahrt, jemand, der … .

Jemand, der ihr wirklich hilft, wie es der Apostel Petrus konnte. Er hat den Bettler vor der Tür des Tempels wirklich geheilt. Da heißt es in der Bibel: “Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth: Steh auf und geh umher! (Apg. 3,3–69) Leider bin ich nicht Petrus.

Ich kann nur den Anfang der Geschichte. Ich kann im Namen Jesu Christi Menschenwürde leben. Ich will Menschen nicht zu bloßen Geldempfängern degradieren und mich nicht zum bloßen Geldgeber. Ich kann Worte wechseln und Blicke. Was das hilft? Ich weiß es nicht. Ich wäre auch gern wie Petrus und könnte dem Leiden ein Ende machen. Aber das kann ich nicht. Damit muss ich leben. Aber ich kann als Mitmensch leben. Ich hoffe und vertraue darauf, dass Gott daraus etwas macht in dieser Welt.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.