Wort zum Montag, dem 13. Januar 2020
VON CORNELIA SENG
Wenn wir gemeinsam unterwegs waren, zum Beispiel auf Wohnungssuche für geflüchtete Menschen, sagte Housam, der Philosoph aus Syrien oft: “Wir wollen nur ein ganz normales Leben”.
Ein normales Leben, – kein aufregendes, kein bedeutungsvolles. Einfach ein Leben mit einem Dach über dem Kopf. Ein Leben, in dem man in Frieden seiner Arbeit nachgeht, seine Kinder aufwachsen sieht und seine Familie versorgt weiß. Ein Leben ohne Bomben und ohne Angst vor Folter und ohne Denunziationen. Ein Leben ohne Diskriminierung und Anfeindungen. Einfach “normal” eben.
In Kassel fahre ich viel Straßenbahn. Einmal war ich recht knapp dran und musste die letzten paar Meter rennen, damit mir die Bahn nicht davonfuhr. Ein gestandener Mann stellte sich in die Türe, damit sie offen bliebe, sodass ich sie noch erreichen konnte. “Danke”, – ich nickte ihm freundlich zu und er lächelte zurück. In der Straßenbahn sah ich, dass es ein Familienvater war. Er war mit mehreren Kindern unterwegs und mit seiner Frau. Seine Frau trug ein Kopftuch. Sie sprachen Arabisch. Eine muslimische Flüchtlingsfamilie. “Shukran! – Danke!”
Ein ganz normaler Tag in Kassel eben.