Auch eine Weihnachtsgeschichte

Wort zum Montag, dem 23. Dezember 2019

VON CORNELIA SENG

“Eigentlich war Jesus der erste Sozialdemokrat”, sagt mein Frisör und lacht in den Spiegel. Mit Kirche und Glauben hat er nicht viel am Hut. Jetzt hat ihn ein Muslim zum Nachdenken gebracht. 

Sein Auto musste in die Werkstatt. Der KfZ-Meister, ein Muslim, hat ihm seinen Glauben so erklärt: “In jedem Betrieb muss es einen Chef geben. Der sagt, was gemacht werden muss. Wie der Laden laufen soll. – So ist es auch mit der Welt. Es muss einen Chef geben, der anordnet, was gemacht werden soll. Wie in jedem Betrieb.” Mein Frisör ist selber Chef in seinem kleinen Betrieb. Der Vergleich leuchtet ihm ein.

Mein Frisör weiß, dass ich christlich unterwegs bin. Was glauben Christen? Christen feiern in diesen Tagen Weihnachten. Weihnachten bedeutet, dass der Chef selber ein Mensch, ein einfacher Mitarbeiter im Betrieb geworden ist, antworte ich ihm. 

Er ist ein einfacher Arbeiter geworden, einer der fröhlich und leidenschaftlich seinen Job macht. Einer, der auf seine Kumpel achtet und hilft, wenn einer nicht klar kommt. Der anderen zeigt, wie der Job geht. Der auf Gerechtigkeit und ein gutes Betriebsklima achtet. Einer, der anderen Mut macht: “Du kannst das! Hier wird jeder gebraucht.”

Aus dem Kind in der Krippe ist der Rabbi Jesus geworden, der einfach gelebt hat. Er hat sich unter die Menschen gemischt, hat geheilt und gelehrt. 

An Jesus habe ich verstanden, wie Gott sich das Leben auf dieser Erde gedacht hat. Im Miteinander, in gegenseitigem Respekt, in freundlicher Wertschätzung, in Barmherzigkeit und Nächstenliebe.

Jesus leitet uns an, das Leben in Freiheit und Gerechtigkeit zu gestalten. Und in einfacher Freude am Dasein, im Vertrauen darauf, dass Gott es gut meint mit uns. Daraus lässt Gott sein Reich wachsen. Jesus inspiriert und begeistert. Er lädt ein zur Versöhnung. Er macht Frieden. Kein Chef von oben. Stattdessen ein Bruder, ein Freund. Macht ist nicht Gottes Sache. Aber Liebe. “Gott kann nur Liebe”, sagt Frère Roger.

Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Islam: Wir sind keine Befehlsempfänger, wir sind Geschwister und Freunde. Wir sind eigenständige, geschätzte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Allen frohe Weihnachten!

“Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, voller Gnade und Wahrheit.” (Joh. 1, 14)

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