Freitag, 17. Mai (19 Uhr): Bingo im Haus Eifgen

Survival im Eifgen

Von wilden Tieren und abgeschlagenen Köpfen oder: ­Wandern mit der neuesten Technologie

VON YVONNE SCHWANKE

Vor einiger Zeit lud ich die Komoot-App auf mein Handy, um neue Wanderwege in der Gegend zu entdecken und erkunden.
Alles lief wirklich prima.
Die dritte Tour begann am Thomashof in Burscheid.
Ich möchte nicht wissen, was die Cafébesucher dachten, als sie
die Frau in rotem Käppchen, rotem Mantel und rotem Schal mehrfach vor den Ladenfenstern fluchend auf und ab und hin und zurück laufen sahen.

Komoot führt mich immer wieder in Richtung einer umzäunten Wiese, auf der viele Kühe stehen. Achselzuckend wende ich mich schließlich in die entgegengesetzte Richtung und denke: “Na, das fängt ja gut an!”
Plötzlich kommt Steffi um die Ecke, die im nahen Waldkindergarten arbeitet. Sie bestätigt mir, dass Komoot richtig liegt und ich über die abgesperrte, kuhbevölkerte Wiese gehen muß. “Da ist ein Törchen, das machst Du dann einfach hinter dir wieder zu!”, sagt sie.

Und dann stehe ich vor besagtem Törchen.
Dazu sei folgendes gesagt: Ich bin ein Dorfkind. Ich habe keine Angst vor Kühen. Was mich jedoch etwas aus der Fassung bringt, ist das Schild, das an dem Törchen hängt.
Dort steht: “Tor bitte schließen! Kühe mit Bulle! Vorsicht!”

Okay, Dorfkind hin oder her … JETZT bin ich schon etwas nervös.
Während ich das Törchen hinter mir schließe und mich langsam über die Wiese bewege, schaue ich mir die umstehenden Tiere genauer an: Euter, Euter, Euter, Euter.
Euter sind gut. Besser als “Nicht-Euter”.

Während ich so vor mich hinschreite und dabei hoffe, dass das “Nicht-Euter” ausser Sichtweite bleibt, frage ich mich, ob es tatsächlich die Farbe Rot war, die Kühe aggressiv macht, oder ob es sich hierbei nicht doch um eine urbane Legende handelt, weil die Tiere ohnehin farbenblind sind. Zusätzlich frage ich mich, warum ausgerechnet in diesem Moment solche nutzlosen Gedanken auftauchen müssen. Braucht keine Sau. Ich entscheide mich, dies nicht zu googlen, da ich dafür auf der Wiese stehen beiben müßte. Meine Aufmerksamkeit gilt der Umgebung, man weiß ja nie. Hat schon mal jemand von einem Kuh-Hinterhalt gehört?!

Kurz bevor ich das Ende des Weidepfades erreiche, muss ich feststellen, daß drei der 700kg-Giganten genau vor dem Ausgangstörchen stehen.
Seufz. “Linda hat gesagt, einfach wegschubsen”, denke ich und sage laut und schüchtern aus 5 Metern Entfernung: “Äh, schuhhh…schuhhh, husch husch, äh mal weg da…bitte…also, nur für kurz, ich äh….müßte hier mal durch. Danke.”

Urplötzlich springen die drei riesigen Körper mit einem großen Satz zur Seite, was mir den Schreck durch die Glieder fahren läßt.
“Äh, also das wäre jetzt auch nicht nötig gewesen … ihr hättet auch echt langsamer machen können”, sage ich, während ich behutsam an der Eisenkette nestle und das Törchen hinter mir direkt wieder verschließe.
Die Kühe starren mich an. Ich starre zurück: “Ja, also … dann bis später und grüßt mir das Nicht-Euter.”

Einige Kilometer weiter huscht mir ein erschrockenes Eichhörnchen über die Füße, hechtet in einem Affenzahn einen Baum hinauf und dabei auch noch mehrfach um ihn herum, nur, um mich hinterher neugierig von oben zu beobachten.

Eine Wanderwege-App ist super! Problematisch wird es allerdings,
wenn das Ding (weil es kein Netz hat, verwirrt ist oder mir ein paar Zusatzkilometer aufschwatzen will), die Orientierung verliert.
Wie von Komoot empfohlen, biege ich an einer Gabelung links ab.

Nach 300 m zeigt die App:”In 500 m wenden.”
Ich wende lieber jetzt schon mal und laufe zur Weggabelung zurück.
Wieder schickt mich die App nach links. Erneut versuche ich es.
App zeigt: in 800 m wenden.

Das Ganze exerziere ich dreimal in die linke und einmal in die rechte Richtung.
Bis ich schließlich zum wiederholten Male den linken Weg nehme
und der widerborstigen App ein lautes: “Ach, halt einfach die Klappe!
Du hast keine Ahnung!” entgegenschleudere.
Drei Minuten später randaliert diese immernoch, woraufhin mir ein
herzhaftes: “F… dich!” entfährt.

Ich bin froh, dass ich das ich nicht allzu laut gebrüllt habe, als ich
in der Ferne einen schwarzen Punkt sehe, der schnell auf mich zugestürmt kommt. Ein ganzes Stück hinter dem schwarzen Punkt, bewegt sich etwas Rotes.

Ich treffe auf einen kleptomanischen Hund, der mir fast meine Kopfhörer aus der Tasche luchst und seine nette Besitzerin, die sagt: “Vorsicht, halten Sie ihr Handy fest, der klaut einfach ALLES!”
“Bei diesem Blick kaum zu glauben”, sage ich, während
der große sympathische Vierbeiner mich vertrauensvoll anschaut, dabei kaut er hingebungsvoll an einem Papiertaschentuch, dass er mir irgendwie, irgendwann aus der Tasche stibitzt haben muß.
“Er braucht eine Visitenkarte”, sage ich, während ich dem kauenden Delinquenten über den Kopf streichle, “Trickdieb Töle oder Kunstdieb-Köter oder Hallodri-Hund.”
Die Frau lacht und sagt:”Ich überleg mir was.”
Sie bestätigt mir, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde.

Tief in meiner Manteltasche zeige ich meiner App triumphierend den Mittelfinger.

Die originellste Deko des Tages hing übrigens an einem der wunderschön restaurierten Häuser in Bellinghausen: ein abgeschlagener Kopf im Käfig, der leider in die falsche Richtung starrte.

Wandern im Bergischen, mitunter tierisch aufregend …

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