„Flucht früher und heute„

Eindrucksvolle Ausstellung im Rathaus

Wermelskirchen | Gut besucht war gestern Abend die Eröffnung der Portrait-Ausstellung der Wermelskirchener Künstlerin Marie-Louise Lichtenberg zum Thema „Flucht früher und heute“ im ersten Stock des Rathauses. Etwa 50 bis 60 Besucher hatten sich eingefunden, Freunde der Künstlerin, die örtliche Kulturszene, Politiker, Mitarbeiter der Flüchtlingsinitiative „Willkommen in Wermelskirchen“ und Menschen, die Marie-Louise Lichtenberg in fotografischen Großformaten portraitiert hatte.

Einen historisch großen Bogen spannt Marie-Louise Lichtenberg mit ihren 18 großen Portraitfotos, die seit gestern in der ersten Etage des Rathauses noch bis zum vierten November zu sehen sind. Acht Menschen, die ihre Heimat im Kontext von nationalsozialistischer Diktatur, Verfolgung, Krieg und Vertreibung verlassen mußten, werden in schwarz-weißen Portraits vorgestellt. Diese Exponate stammen aus dem Lichtenbergschen Buchprojekt „Zwischen Glück und Grauen“ aus dem Jahr 2010. Zehn weitere Portraits entstanden im Projekt „Ein Gefühl von Zukunft“, das Frau Lichtenberg in diesem Jahr mit aktuellen Flüchtlingen durchgeführt hat. Zu jedem Bild gehört eine Kurzinformation zur abgebildeten Person.

„Die Geschichten ähneln sich an vielen Stellen“, erläutert die Künstlerin. „Geflüchtete aller Zeiten machen immer die gleichen Erfahrungen: Sie verlassen unfreiwillig ihre Heimat, müssen alles zurücklassen, ihre Familien werden auseinander gerissen, sind fast immer nicht willkommen in der neuen Heimat, werden von vielen abgelehnt und diskriminiert, machen den Einheimischen Angst, viele begegnen ihnen mit Misstrauen, sie haben Schwierigkeiten beruflich Fuß zu fassen.“

Marie-Louise Lichtenberg geht es um den Dialog. Um den Dialog der Portraits, der Geschichten in und hinter den Bildern, die in Beziehung zueinander stehen, obwohl sie jeweils an einer Seite des langen Rathaus-Bürotrakts positioniert sind: die heutigen Flüchtlinge auf der einen, die früheren Flüchtlinge auf der anderen Seite. Aber auch die Besucher sollen in einen Dialog eintreten, miteinander sprechen, sich der Geschichte unseres Landes vergewissern wie auch der Not und Bedrängnis von Menschen in aktuellen Zeiten. Vorurteile will Marie-Louise Lichtenberg mit ihrer Arbeit abbauen und Ängste minimieren.

„Ich bin überzeugt, dass kaum ein Mensch seine Heimat und alles was damit zusammenhängt, freiwillig verlässt. In den letzten Jahren hat die Zahl der Geflüchteten extrem zugenommen. Gewalt, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen in vielen Teilen der Welt haben zu nahezu 70 Millionen Menschen geführt, die ihre Heimat verlassen mussten.“

Das 20. Jahrhundert sei das Jahrhundert der Flüchtlinge, führte die Künstlerin in ihrer kurzen Ansprache aus. Der Zweite Weltkrieg habe in der Folge zu einer Fluchtbewegung sowie auch der Vertreibung und Deportation von insgesamt mehr als 60 Millionen Menschen in Europa geführt. Nach Kriegsende seien etwa 12,5 Millionen Vertriebene und Flüchtlinge aus den Ostgebieten in die Bundesrepublik und die Deutsche Demokratische Republik gekommen.

Am Ende des vergangen Jahres waren weltweit mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht. Das sei die höchste Zahl der jemals vom UNHCR registrierten Anzahl von Flüchtlingen, so Marie-Louise Lichtenberg. In jeder Minute würden 25 Menschen irgendwo auf der Welt zur Flucht gezwungen. 84% aller Flüchtlinge lebten in Entwicklungsländern, fast vier von fünf Flüchtlingen im Nachbarland ihres Heimatstaates.

„Die Menschen erzählen Geschichten von Gewalt und Verlust, aber auch von Mut und Hoffnung. Damals wie heute. Die Ausstellung soll die Betrachter anregen, selbst aktiv zu werden und auf geflüchtete Menschen zuzugehen. Ich werbe für Mitmenschlichkeit, Empathie, Respekt und Achtung. Ferner möchte ich zum Nachdenken und zur kritischen Auseinandersetzung mit einem Thema anregen, dass uns alle angeht.“

Bürgermeister Rainer Bleek hatte die Ausstellung mit einer kurzen Ansprache eröffnet, bevor er sich dann wieder auf den Weg zu einem weiteren dienstlichen Termin machen mußte. Ihm liege die aktuelle Flüchtlingsproblematik wie auch die Verantwortung vor der deutschen Geschichte sehr am Herzen, weshalb er die Aktivitäten der ehemaligen Hauptschullehrerin auch nach Kräften unterstütze.

Einige Impressionen:

Nachtrag: Das Grußwort von Bürgermeister Rainer Bleek als PDF-Datei:

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