Was im Konzentrationslager Majdanek geschah

Den Bericht der SPD über die Lesung von Frank Beer entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Bürgerportal Bergisch Gladbach, in-gl.de:

Rheinisch-Bergischer Kreis | Frank Beer las aus dem Zeitzeugenbericht des polnischen Juden Morchedai Strigler aus dem Konzentrationslager Majdanek. Was die rund 50 Gäste im Café Credo hörten, traf sie bis ins Mark.

„Erst am Tag wurden wir gewahr, dass von dem Transport kein einziger geblieben war. Man brachte nicht einmal ihre Kleidung zum Sortieren, sondern ließ sie zusammen mit den Packen auf einem großen Haufen verschimmeln.“ Mucksmäuschenstill lauschten die ZuhörerInnen den Worten von Frank Beer. Denn was sie hörten, traf sie bis ins Mark.

Der Herausgeber mehrerer deutscher Buchausgaben über den Holocaust las vor rund 50 Gästen aus dem Zeitzeugenbericht des polnischen Juden Morchedai Strigler aus dem Konzentrationslager Majdanek in Polen vor.

„Nie konnte man wissen, womit man Iwan mild oder böse stimmte. Vielleicht wusste er es selbst nicht. Oft saß er und erzählte von seinem Zuhause, seinem Kind in einer weit entfernten russischen Stadt, von wo die ‘Germanskis’ ihn verschleppt hatten. Mitten während des Erzählens stand er plötzlich auf und begann, in wildem Zorn auf die Köpfe einzuschlagen“, wurde über den Stubendienst Iwan, einen Russen, berichtet.

Neben dem unfassbaren Grauen gab es auch winzige Hoffnungsschimmer, wie die Flucht eines Kindes. „Der Kleine hat unterdessen ganz ruhig den untersten Luftschlitz des Fensters geöffnet. Im großen Lärm bemerkte es niemand. Er steckt den Kopf in das offene Loch und zwängt den Körper vorsichtig ein Stück hindurch.“

75 Jahre ist die Befreiung des KZ Majdanek her. Diese Lesung am 10.9.2019 – eine Kooperation der SPD Bergisch Gladbach mit dem Refrather Café Credo – sollte an die Geschehnisse dort erinnern.

“Mordechai Striglers früher Augenzeugenbericht über Majdanek gehört zu den bedeutsamsten literarischen Texten über die Schoah-Erfahrung. Es war mir daher ein Herzensanliegen, für eine deutsche Ausgabe des Buches zu sorgen“, so der Sozialdemokrat Frank Beer.

„Ein beeindruckender Zeitzeugenbericht aus der polnisch-jüdischen Sicht und ein beeindruckender Herausgeber haben zu einem beeindruckenden Abend geführt“, betont Andreas Ebert, Vorsitzender der SPD Bergisch Gladbach, der die Lesung moderiert hat.

Für die Lebensfreude sorgte an diesem Abend die Klezmer-Band der städtischen Max-Bruch-Musikschule. „Die Zitrönchen“ spielten zu Beginn drei wunderbar fröhliche Lieder und demonstrierten dem Publikum, wie lebensbejahend und beschwingt jüdische Musik sein kann.

Hintergrund:
Der jiddische Schriftsteller und Journalist Mordechai Strigler wurde 1918 in dem polnischen Dorf Stabrów bei Zamość geboren.
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde er beim Versuch, die sowjetische Grenze zu überschreiten, von den Nazis gefasst und zu Zwangsarbeit in verschiedene Arbeitslager verschickt. Anfang 1943 ging er mit einem Transport nach Majdanek, wo er sieben Wochen lang Gefangener war.
Kurz nach der Befreiung beschrieb er das dortige Lagerleben in seinem ersten Buch. Strigler wurde Anfang August 1944 von Skarzysko-Kamienna ins KZ Buchenwald verlegt, wo er am 11. April 1945 befreit worden ist. Seine Eltern und drei von sieben Schwestern fielen dem Holocaust zum Opfer.
Nach der Befreiung begleitet der 27-jährige Strigler jüdische Kinder und Jugendliche aus Buchenwald, darunter ist der 17-jährige Eli Wiesel, mit dem Zug nach Paris. Er lässt sich in der französischen Hauptstadt nieder. In dieser Zeit arbeitet er als Journalist und verfasst gleichzeitig vier Bücher über seine Schoaherfahrung. 1952 emigriert er in die Vereinigten Staaten nach New York. Bis zu seinem Tode 1998 arbeitet er als Journalist.
Der große Wert von Mordechai Striglers Büchern rührt von der hohen Objektivität seines Autors, der durch keinen Häftlingsposten korrumpiert worden war.
Von polnischen Juden, die die meisten Opfer des Holocaust zu beklagen hatten, hat es kein Zeugnisbericht zu einer hohen Auflage gebracht. So kam es, dass die Berichte erst 70 Jahre nach dem Krieg auf Deutsch gelesen werden konnten. Über das Geschehen in diesen Vernichtungslagern haben fast nur polnische Juden berichtet. Ihre Zeugnisse blieben lange Zeit unbeachtet. Dies führte in Deutschland zu Wissenslücken in der Geschichte der Vernichtungslager.
Wer aber die ganze Wahrheit erfahren möchte über das Sterben in den Ghettos in Osteuropa, über die deutschen Vernichtungsaktionen, über das grausige Geschehen in den Todeslagern der SS und auch über die Kollaboration besonders von Ukrainern und Litauern, die einen substantiellen Beitrag zur Ermordung der Juden leisteten, der sollte die Texte der jiddischsprachigen Autoren lesen.

Beitragsfotos: Die ZuhörerInnen lauschten gebannt, das Café Credo war bis auf den letzten Platz besetzt © SPD Bergisch Gladbach/Vera Werdes

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