Die lokalen Zeitungen und ein kulturelles Highlight für Kinder oder: Vom Primat der Politik

EIN EINWURF VON WOLFGANG HORN

Wermelskirchen ist eine kleine Stadt mit einem ungewöhnlich reichhaltigen Kulturangebot. Musik jeder Art, Theater, bildende Künste, Kabarett, Leseförderung, Wortkunst, Literatur, Tanz, Film, Lesungen – all das und mehr gibt es innerhalb der Wermelskirchener Stadtgrenzen. Überwiegend ehrenamtlich organisiert und betreut, weil ein städtisches Amt für Kultur schon vor Jahren der öffentlichen Finanzmittelknappheit geopfert wurde.

Zwischenzeitlich hat sich herumgesprochen: Kultur (und Kunst) sind nicht nur weiche Standortfaktoren, gemessen etwa an Wohnungen und Arbeitsplätzen, Einkaufsmöglichkeiten und Verkehrsanbindung, Handel und Freizeitangeboten, Natur oder Bildungseinrichtungen. Kunst und Kultur entscheiden am Ende, ob eine Stadt rundum attraktiv ist. Mitunter gibt die kulturelle Vielfalt gar den Ausschlag bei der Entscheidung, sich in einer Stadt niederzulassen.

Und dennoch: Wermelskirchen ist eine Kleinstadt, keine Metropole. Hier kann nicht täglich ein Angebot für alle möglichen Zielgruppen unterbreitet werden. Wenn dann aber ein kulturelles Highlight offeriert wird, wie am vergangenen Sonntag im Haus Eifgen, nämlich die Kinderoper „Hänsel und Gretel“, dann, so sollte man meinen, wird das auch seinen Niederschlag in der veröffentlichten Meinung finden, dann werden die beiden Lokalzeitungen berichten.

Ach iwo. Beide Zeitungen haben doch genug damit zu tun, beispielsweise den Fraktionsvorsitzenden der WNK UWG, Henning Rehse, ins rechte Licht zu rücken. Da bleibt einfach kein Platz, keine Kapazität für eine Kinderoper. Der Wermelskirchener Generalanzeiger mühte sich etwa schon am 16. August um Herrn Rehse mit einem ausführlichen Interview zu dessen heftig kritisierten rechtslastigen Äußerungen in den sozialen Medien. Drei Wochen später fand Rehse erneut das versammelte Interesse der Lokalzeitungsredaktion, die dem Fraktionschef öffentlichkeitswirksam attestierte, er setze sich für Ordnung im Viertel ein. Gewiß trifft den RGA nicht die Hauptschuld an einer derartigen Unwucht in der Berichterstattung. Seitdem täglich viele Beiträge aus der lokalen Ausgabe der Bergischen Morgenpost übernommen werden, ist nicht nur das Profil der Zeitung ein anderes als zuvor. Über die Gewichtung wird nunmehr in der Telegrafenstraße entschieden und nicht mehr in der Kölner Straße. Das Sahnehäubchen: Heute kann man wieder lesen, was Henning Rehse so von sich gibt, zum Ordnungsdienst der Stadt, zur Polizeipräsenz, zu einer eigentlich kaum berichtenswerten Petition, mit der – mal wieder – mehr Polizei in der Stadt eingefordert wird.

Nein, da bleibt kein Platz für eine wunderbare Aufführung von Engelbert Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ für mehr als dreißig Kinder und ihre Eltern und Großeltern. Eine Aufführung, von der Karin Leister vom Ensemble der Wuppertaler Kinderkonzerte sagte, es sei eine „besondere“ Vorstellung gewesen, die auch bei den Mitwirkenden den „warmherzigen“ Eindruck hinterlassen habe, man habe sich „zusammen mit dem Publikum wie in einem großen Wohnzimmer“ gefühlt. Keine Notiz zu nehmen von dem, was in der Stadt geschieht an kulturell Aufregendem, Neuem, Besonderem, das kann man schon der Stadt, der Verwaltung oder den Parteien nicht nachsehen und nicht durchgehen lassen

Aber der Auftrag der Presse ist es allemal, über ein Ereignis in der Stadt zu berichten, das weiß Gott nicht alltäglich ist. Ein Ereignis, das sich heraushebt aus Fülle und Vielfalt. Eigentlich. Kein Wunder, daß die lokalen Zeitungen mit einem dramatischen Bedeutungsverlust zu tun haben. Mein Mitleid hält sich in Grenzen.

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Rainer Bleek, Bürgermeister
    • 12.09.19, 15:05 Uhr

    Für die Verwaltung weise ich die Kritik der Nichtbeachtung zurück. Kulturdezernent und Kulturbeauftragter weilen im Urlaub. Und ich selbst war durch andere Termine verhindert, hatte aber auch im Vorfeld keine feste Zusage abgegeben.

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