Ein Kommentar von Wolfgang Horn
“Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte, achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen, achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten, achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter, achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“ (Talmud)
Der Mord an Walter Lübcke, dem hessischen CDU-Landrat, vor seinem Haus in Wolfhagen ist, da sind sich nahezu alle Kommentatoren einig, auch das Resultat einer „völligen Verwahrlosung des politischen Diskurses“, wie etwa Daniel Bleich gestern bei den Ruhrbaronen schrieb. Und Bleich fährt fort: „Die Sprache der Gewalt ist zur völligen Normalität geworden.“ Ergebnis: der erste rechtsradikale Mord an einem bundesdeutschen Politiker.
Nun darf man indes keineswegs davon ausgehen, daß der vor allem im Netz anonym formulierte Hass nur das Werk einiger weniger Rechtsradikaler wäre. Auch völkisch-nationale und nationalkonservative Kräfte, vor allem in der AfD, haben entschieden zur Vergiftung des politischen Klimas beigetragen. Wer erinnert sich nicht an das Wort des AfD-Chefs Gauland am Abend der letzten Bundestagswahl: „Wir werden Frau Merkel jagen.“ Und Dr. Nicolaus Fest, AfD-Kreisverband Lüchow-Dannenberg/Lüneburg, setzte später noch einen drauf: „Wir sind nicht da, um Frau Merkel zu jagen. Wir sind da, um sie zu erlegen.“ Peter Tauber, ehemaliger Generalsekretär der CDU, urteilt über die AfD: “Sie hat mit der Entgrenzung der Sprache den Weg bereitet für die Entgrenzung der Gewalt.”
Doch ist ein verrohter und verrohender, ein entgrenzender Sprachgebrauch leider nicht nur Kennzeichen einer völkisch-reaktionären Partei mit einer offenen Flanke zum Rechtsextremismus. Selbst bei bürgerlichen Politikern, die der eigenen Bekundung nach stolz auf ihre Wurzeln in der CDU sind, ist eine rohe, polarisierende, denunzierende, eine hämisch-erledigende Sprache mittlerweile üblich:
„Wenn zwischen der Stoßstange und der Wand Merkel, Roth und Konsorten kleben, ist das ein prima Kurs 🙂“
Urheber dieses widerwärtigen Satzes ist der Fraktionsvorsitzende der WNKUWG im Wermelskirchener Stadtrat, geschrieben hat er ihn in Facebook. Und, nein, da kann und darf es keine relativierenden Erklärungen geben. Das Bild ist eindeutig: Der Fraktionschef sähe die Bundeskanzlerin und die stellvertretende Bundestagspräsidentin gerne von einem Auto an eine Wand gequetscht.
“Wo die Sprache verroht, ist die Straftat nicht weit”, sagte dazu der Bundespräsident Walter Steinmeier und fährt fort: “Die Verächtlichmachung eines Menschen, der einer Gewalttat zum Opfer gefallen ist, darf uns nicht nur empören. Sondern sie fordert uns heraus, alle Mittel des Rechtsstaats zu nutzen, um Herabwürdigung und Gewalt auch in den Sozialen Medien zu ahnden.”
Es ist hohe Zeit, daß auch politische Mitstreiter, die Mitglieder in den Parteien des demokratischen Spektrums sowie die lokalen Medien Augen und Ohren vor einer derart rüden und, wie wir jetzt wissen, gewaltevozierenden Sprache nicht weiter verschließen.
„Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.“