„Danke, daß Sie weitermachen“

Kirchenkino Wermelskirchen macht mit Michael Moore-Film weiter

VON WOLFGANG HORN

Ein ermutigender Zuruf aus dem Publikum, kurz nachdem Pfarrerin Almuth Conrad und Wolfgang Horn gestern Abend im Film-Eck den überraschend vielen Zuschauern – etwa 50 Besucher fanden den Weg in das Wermelskirchener Kultkino – erläutert hatten, daß diese Errungenschaft des Wermelskirchener Kulturbetriebs, das KirchenKino, nach dem Wegzug des Pfarrerehepaares Cornelia und Ulrich Seng auch weiterhin einmal im Monat mit ausgesuchten Filmen aufklären und unterhalten wird: „Danke, daß Sie weitermachen“.

Die Koordinierungsgruppe hatte sich entschieden, noch vor der Europawahl das KirchenKino Wermelskirchen fortzusetzen und einen Film des hochdekorierten amerikanischen Filmemachers Michael Moore vorzuführen : „Where To Invade Next“.

Michael Moore ist nicht gerade bekannt dafür, feinfühlig und dezent mit seinen Themen umzugehen, sondern eher plakativ, derb und eindringlich. Und so auch der gestrige Film: schrill, laut, polarisierend. Aber: auch unterhaltsam und humorvoll.

Moores Reise durch europäische Länder sowie Tunesien auf der Suche nach gesellschaftlichen Errungenschaften, die vorbildlich für sein eigenes Land sein können, die Vereinigten Staaten von Amerika, förderte selbst für aufgeklärte und politisch bestens informierte Zeitgenossen Aspekte des Lebens in Europa zutage, derer man sich, vor allem angesichts der Wahlen zum europäischen Parlament, immer wieder bewußt werden sollte.

So ging es etwa um das vorbildliche Bildungssystem (Finnland), um ein Studium ohne horrende Studienbeiträge (Slowenien), um eine gesundes und reichhaltiges Schulessen mit mehreren Gängen selbst in einer eher armen Stadt (Frankreich), um bezahlten Urlaub für Arbeitnehmer (Italien), um Mitbestimmung im Betrieb (Deutschland), um die Entkriminalisierung von Drogenbenutzern (Portugal) und um viele weitere Themen. Überall dort, wo er Vorbildliches gefunden hatte, pflanzte Moore symbolisch Stars and Stripes, die amerikanische Flagge, in den Boden. Auch in Norwegen, wo er einen menschlichen Strafvollzug besichtigte, mit Wächtern ohne Schusswaffen und Häftlingen mit einem Schlüssel zu ihrer Zelle, wo selbst einen Massenmörder wie Anders Breivik nicht die Todesstrafe erwartet. In Tunesien fand er eine erfolgreiche Frauenbewegung und in Island die auf der ganzen Welt einzigartige Bestrafung aller Bänker, die sich im weltweiten Finanzskandal schuldig gemacht hatten.

Europa ist ein ziviler, ein liberaler, ein menschlicher Kontinent. Es ist bei weitem nicht alles in Ordnung in den europäischen Ländern. Aber Moores Film hat mit seiner „augenzwinkernden Liebeserklärung an Europa“, wie es im Pressetext zum gestrigen Film hieß, gewiß auch in Wermelskirchen noch einmal deutlich machen können, wie wichtig es ist, am kommenden Sonntag wählen zu gehen und Europa vor allen nationalistischen Strömungen, die die Zeit zurückdrängen und wieder in gestrige Verhältnisse wollen, zu schützen.

Das nächste KirchenKino findet am Mittwoch, den 26. Juni um 20 Uhr statt. Gezeigt wird dann der erst seit wenigen Wochen in den Kinos laufende Film von Eva Gerberding und André Schäfer: Auch Leben ist eine Kunst – Der Fall Max Emden. Es geht um empörendes Unrecht an der Familie eines Hamburger Mäzens, um den skandalösen Umgang des deutschen Staates mit dem Eigentum eines jüdischen Kunstsammlers, Mäzens, Geschäftsmanns: Max Emden, geboren 1874, Spross einer assimilierten bürgerlichen jüdischen deutschen Familie. Max Emden unterstützte mäzenatisch die Hamburger Kunsthalle, die Hamburger Universität und das Museum für Kunst und Gewerbe. Ihm gehörte das gesamte Gelände des heutigen Botanischen Gartens, in dem er einen Landschaftspark anlegte. Er begründete den Polo-Club der Stadt, war ein bedeutender Kunstsammler. Max Emdens gigantischer Besitz wurde von den Nazis enteignet, zerschlagen, übertragen. Bis heute führen Max Emdens Erben einen ermüdenden Kampf um Restitution und Gerechtigkeit.

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

    • Stefan Wiersbin
    • 23.05.19, 13:14 Uhr

    Danke an das Team vom KirchenKino. Es war ein Kinoabend, der mir auf eine unterhaltsame Art aufgezeigt hat, auf welch einem tollen Kontinent, mit einem geeinten Europa, ich leben darf. Ein Europa, das wir auf keinen Fall den National- und Rechtskonservativen überlassen dürfen. Ein Europa der nationalen Egoismen wird uns extrem schaden, wird uns aller Errungenschaften unseres Europas berauben.

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    • Walter Schubert
    • 23.05.19, 14:01 Uhr

    Danke an das neue Team für’s weitermachen.
    Ein toller Film mit vielen Erkenntnissen und der Bestätigung: Wer Amerika zum Freund hat braucht keine Feinde. Auch wenn viele Probleme in den bereisten Ländern nicht gezeigt und angesprochen wurden gibt es doch unglaublich positive Ansätze. Davon sind die USA meilenweit entfernt.
    Freue mich auf den nächsten Abend.

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