Bertelsmann- Studie: “Bürgersinn in der Einwanderungsgesellschaft”
Gütersloh | Was verstehen Menschen in Deutschland unter einem guten Bürger? Und wie unterscheidet sich dieses Verständnis innerhalb verschiedener Bevölkerungsgruppen? Diese Fragen behandelt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Die Befragung zeigt, dass die in Deutschland lebenden Menschen sehr ähnliche Vorstellungen davon haben, was die Regeln des Zusammenlebens angeht – unabhängig davon, ob sie einen Migrationshintergrund haben. Alter und Wohnort seien bei der Befragung ausschlaggebender gewesen als ethnische Herkunft und Geschlecht.
Unbestreitbar hat sich Deutschland zu einem selbstbewussten und attraktiven Einwanderungsland mit Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft entwickelt. Neben Deutschen (mit und ohne Migrationshintergrund) durch Geburt oder Einbürgerung leben hier Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben oder sogar hier geboren sind, EU-Bürger mit nahezu den gleichen Rechten wie Deutsche, Ausländer mit einem befristeten Aufenthaltstitel oder Personen mit einem Migrationshintergrund, aber ohne eigene Migrationserfahrung. Was sie alle eint, ist ihr Leben als Einwohner Deutschlands: viele als Staatsbürger, andere als Einwohner mit anderer Staatsangehörigkeit. Sie alle können aber als „Bürger“ angesehen werden, weil sie zusammen aufwachsen, zusammen an der Gesellschaft teilhaben oder Deutschland als ihren Lebensmittelpunkt betrachten.
Klassische Deutungsmuster wie „Deutsche“, „Ausländer“ oder „Muslime“ führen in der öffentlichen Migrationsdebatte nicht mehr weiter, sondern vertiefen die gesellschaftliche Spaltung.
Die Einwohner Deutschlands haben weitgehend ähnliche Vorstellungen davon, was einen guten Bürger ausmacht. Hier zeigt sich, dass zwischen Migranten und Nicht-Migranten wie auch West- und Ostdeutschen kein Gegensatz bei den grundsätzlichen Erwartungen an das Zusammenleben vorhanden ist. Ebenso wird gute Bürgerschaft in Deutschland herkunftsunabhängig verstanden: Eine überwältigende Mehrheit der Befragten findet, dass jede Person unabhängig von ihrem Geburtsort ein guter Bürger sein kann – eine klare Absage an die Idee einer auf Abstammung basierenden Gesellschaftsordnung.
Diese Ergebnisse können als Hinweis gewertet werden, dass die vielfältige deutsche Gesellschaft – entgegen den Aussagen mancher Migrationsskeptiker – in ihrer Gesamtheit nicht gespalten ist. Sie sind ebenso ein Indiz für die Bindekraft einer pluralen und freiheitlichen Gesellschaftsordnung, so wie sie in Deutschland vorherrschend ist. Die Attraktivität und Integrationskraft dieses Gesellschaftsmodells wird in der öffentlichen Debatte noch zu häufig unterschlagen oder sogar negiert. Das Zusammenleben in Deutschland auf der Basis des positiven Ideals eines guten Bürgers stellt einen eigenen erfolgreichen „Integrationsfaktor“ dar, den es zu bewahren gilt. Die Pflege eines gemeinsamen „Bürgersinns“ verspricht mehr Erfolg als immer wiederkehrende Angst- und Abgrenzungsdebatten bezüglich der Migrationsfrage.
Hier eine Kurzfassung der Studie als PDF-Datei: