Abkündigung des Präses an die Gemeinden in der Evangelischen Kirche im Rheinland

Anlässlich des Gedenkens an die Pogromnacht vor 80 Jahren (9./10. November 1938 – 2018)

Vor achtzig Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, brannten Synagogen und jüdische Gemeindehäuser. Mehr als die Hälfte aller Synagogen oder Gebetshäuser auch bei uns im Rheinland wurden stark beschädigt oder ganz zerstört. Juden und Jüdinnen wurden ermordet, gedemütigt und verhaftet. Viele unserer Gemeindeglieder damals beteiligten sich an diesen Verbrechen oder nahmen sie hin. Nur sehr wenige widerstanden.

„Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“ (Sprüche 31,8) Dieses widerständige Wort hatte Dietrich Bonhoeffer bereits Jahre vor der Pogromnacht als klares Handlungskriterium an unser Kirche-Sein geknüpft: „Wer weiß denn das heute noch in der Kirche, dass dies die mindeste Forderung der Bibel in solchen Zeiten ist?“, schrieb er schon 1934.

Unser Gedenken an das Verbrechen des 9./10. November 1938 und an die Schrecken der Shoa verpflichtet uns, auch heute entschieden gegen alle Formen der Judenfeindschaft einzustehen. Dass Juden und Jüdinnen in Deutschland ohne Angst leben können, gehört zu unserer christlichen Identität. Wer sich gegen Jüdinnen und Juden wendet, greift die Grundlage unseres christlichen Glaubens an. Daher danke ich für alles Engagement bei den Gedenkveranstaltungen in diesen Tagen und ermutige Sie: Treten Sie weiterhin ein für Begegnungen mit jüdischen Gemeinden in Ihrer Nachbarschaft. Es ist ein Segen, dass wir diese Gelegenheiten heute nach allem, was geschehen ist, wieder haben. Und: Stehen Sie auf und widersprechen Sie, wo Judenhass oder Fremdenfeindlichkeit geäußert werden. Denn, so ruft uns die Bibel zu: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“ (Sprüche 31,8)

Fürbittgebet (Sylvia Bukowski)

Du treuer Gott,

du siehst nicht weg,

wenn Menschen Gewalt angetan wird,

du hörst nicht weg,

wenn sie um Hilfe schreien,

du hältst dich nicht heraus

aus den Konflikten,

die Leben zerstören.

Wir möchten gern mutiger sein als jene,

die die Synagogen brennen sahen

und nicht protestierten.

Wir möchten verhindern

dass Hassparolen um sich greifen.

Wir möchten für deine Güte einstehen.

Aber manchmal sind auch wir zu feige,

manchmal lassen auch wir uns anstecken

mit menschenverachtenden Gedanken.

Manchmal sind wir kalt und abweisend

gegen die, die uns brauchen.

Gott, vergib uns und mach uns frei,

dir beherzt und tapfer zu folgen.

(Eine Abkündigung ist die Bekanntmachung von der Kanzel herab vor oder nach der Predigt.)

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