Erlebt und aufgeschrieben von Yvonne Schwanke
Balkantrasse | Ich bewandere die Balkantrasse auf der Höhe des Sportplatzes Bergisch Born, als ich interessiert feststelle, daß ein Auto an der Gabelung nach Hückeswagen parkt. Desweiteren stehen dort vier Männer incl. eines großen Hundes.
Das Hörbuch “Einen Scheiss muß ich…” auf den Ohren, nähere ich mich interessiert der Männertruppe. “Irgendwie sehen die aus wie Polizisten”, schießt es mir durch den Kopf, “hat der Hund wohl jemanden gebissen?”
Als hätte dieser meine Gedanken verstanden, reisst der Schäferhundmix an der Leine seines Besitzers herum und zerrt in meine Richtung. Einer der Männer steht in der Mitte der Trasse und deutet erklärend und irgendwie triumphierend in meine Richtung. Ich schaue über meine Schulter und stelle fest; der meint WIRKLICH mich.
Beim Näherkommen erkenne ich, daß es sich bei mindestens zwei der Herren tatsächlich um Polizisten handelt. Freundlich nickend schreite ich durch die Gruppe hindurch, als plötzlich der hübsche Polizist von der Mitte der Trasse zu seinem Kollegen sagt: “Sollen wir hier mal ein Stückchen begleiten?” Ich gehe weiter, bis der nette Mensch rückwärts vor mir herzuschreiten beginnt und mir andeutet, dass ich doch meine Kopfhörer kurz herausnehmen möge. Ich bleibe stehen, grüße freundlich und denke blitzartig: ….Geil Wönni, jetzt bist Du wahrscheinlich der erste und einzige Mensch, der es schafft, stocknüchtern auf der Trasse wandernd aus irgendeinem Grund ein Knöllchen zu bekommen…..
Prompt höre ich: “Guten Tag! Wissen Sie, warum Sie auf dieser Seite der Trasse gehen?” Folgende Antworten schießen mir durch den Kopf:
- Weil es hier schöner ist
- Links stehen immer die ganzen Exhibitionisten
- Auf der anderen Seite liegt mehr Hundescheisse
- Ich bin deutscher Autist und muß daher immer RÄCHTS gehen …
Laut sage ich jedoch: “Ich mache es wie mit meinem Auto im Straßenverkehr!” (und währenddessen höre ich im Hinterkopf die Stimme meines Vaters, die im Hitlertonfall deklamiert: INN DOITSCHLANTT WÖRD RÄCHTS GÄFAHRRÄNN!)
“Aber es ist ja eine Trasse für Fahrradfahrer und Fußgänger”, sagt der hübsche Polizist. “Äh”, sage ich und möchte eigentlich sagen: “Ja. Gottseidank, daß ich dieses Mal nicht mit dem Auto hier lang gefahren bin”; … – verkneife es mir jedoch.
“Wäre es nicht sinnvoller, Sie würden auf der linken Seite gehen? Könnten Sie sich das vorstellen?”, fragt der nette Mann in Uniform. “Damit ich “den Feind” kommen sehe, oder wie meinen Sie das?”, frage ich und setze nachdenklich hinzu: “Wissen Sie, interessanterweise gehe ich tatsächlich dem Verkehr entgegen, wenn ich an einer Autostraße ohne Bürgersteig entlang laufe; auf der Trasse mache ich das jedoch nie …” “Wir sind ja hier, um anzuregen”, sagt er freundlich,”aber leider ist heute gar nicht viel los.”
Ich verkneife mir die Frage, ob es bei der Polizei auch ein Sommerloch gäbe. (Ich meine, auch der Durchschnittskriminelle braucht ja mal Urlaub, oder?) “Wären Sie gestern hier gewesen, hätten sie bestimmt mehr Menschen zum Anregen angetroffen”, sage ich. “Das stimmt wohl”, sagt er freundlich und wünscht mir ein schönes Wochenende.
Da ich unter Zeitdruck wandere, verkneife ich mir die abschließende Frage, welches Verkehrsverhalten auf der Trasse denn nun das WIRKLICH ECHT VOLL RECHTLICH richtige sei. (Ich könnte mir vorstellen, daß dies ein gutes Thema für einen Zeitungsartikel sein könnte….-falls es den schon gab, ist der an mir vorübergegangen. Oder, wie wäre es mit Schildern am Trassenweg, die gewünschtes Verkehrsverhalten auf der Trasse nahelegen? Man könnte das universell anhand kleiner Ampel-oder Klomännchen darstellen….ich hätte da echt coole Ideen!)
“Netter Mensch”, denke ich, lege mir mein Hörbuch wieder auf die Ohren und wandere, dieses Mal experimentell auf der linken Seite der Trasse, gen Hückeswagen, was sich als kognitiv herausforderndes und abenteuerliches Erlebnis herausstellt, da etwas in mir mich ständig zur rechten Seite zieht. Während ich so auf der linken Seite dahinschreite, bin ich sehr froh, daß der nette Polizist nicht wissen wollte, was ich mir gerade anhöre, …die Antwort “Einen Scheiss muss ich …“ hätte bestimmt interessante Reaktionen nach sich gezogen …