Wermelskirchen | „Der Antrag der vier Fraktionen im Rat zur Umsiedlung der Kämmerei in den Geschäftsbereich des Ersten Beigeordneten war eine Farce, die Entscheidungsfindung über diesen Vorgang im Ältestenrat aber war ebenso eine Farce, die zudem die Rechte fraktionsloser Abgeordneter unmittelbar beschneidet.“
Ein weitgehend unbemerkt und undiskutiert gebliebener Satz des Stadtverordneten Horst Walter Schenk während der letzten Ratssitzung am 9. Juli. Schenk, bei der Kommunalwahl über die Liste der FDP in den Rat der Stadt gewählt, hatte die Fraktion der FDP nach Unstimmigkeiten mit dem Vorsitzenden, Heinz-Jürgen Manderla, verlassen, ist aber nach wie vor Mitglied der FDP.
Mit dem „Antrag der vier Fraktionen“ ist gemeint eine gemeinsame Tischvorlage von CDU, FDP, Bürgerforum und WNKUWG, nur wenige Minuten vor Beginn der Ratssitzung am 18. Juni eingebracht, mit dem das Amt des Kämmerers dem Geschäftsbereich des Bürgermeister entzogen und dem des Ersten Beigeordneten zugeordnet werden sollte. Ein, wie Schenk im Gespräch mit dem Forum Wermelskirchen erläutert, „vollkommen unnötiger Affront“ gegen den Bürgermeister und deshalb „unterirdisch“. Dieser Schachzug sei „rein politisch“ gewesen und „keine Sachentscheidung“. Eine Maßnahme, die auch dem Amt und der Bedeutung des Kämmerers nicht gerecht werde, sondern allenfalls als „Auftakt zum Wahlkampf“ gedeutet werden könne.
Der Ältestenrat, eigentlich ein informelles Beratungsgremium der Fraktionsvorsitzenden zur Beilegung von Streitfällen und Verfahrensproblemen, hatte schließlich einen Kompromiss gefunden, demzufolge die Kämmerei im Geschäftsbereich des Bürgermeisters verbleibt, die freiwerdende Stelle des Leiters aber nicht ausgeschrieben, sondern mit einem den vier Fraktionen politisch genehmen Mitarbeiter der Verwaltung besetzt wird.
Eine Beschwerde habe Horst Walter Schenk schon in Erwägung gezogen. „Ich gehe indes davon aus, dass das Problem dadurch lediglich thematisiert wird. Mit einer Änderung rechne ich nicht.“ Die Sachlage sei einfach, so Schenk. Der Ältestenrat setze sich zusammen aus jeweils einem Vertreter der Fraktionen plus Bürgermeister und den Beigeordneten. Fraktionslose Ratsmitglieder würden nicht geladen oder seien nicht erwünscht.
In dieser Wahlperiode zählen wir in Wermelskirchen mittlerweile fünf fraktionslose Ratsmitglieder. Neben Schenk sind dies Jutta Hildner, die die CDU-Fraktion verlassen hatte, Andreas Müßener, der aus der AfD-Fraktion ausschied und damit auch Karl Springer (AfD) fraktionslos werden ließ, sowie Rainer Schneider, einst über die Liste Die Linke in den Rat gewählt.
Schenk vergleicht die Anzahl der Fraktionslosen im Rat mit den Fraktionen der Grünen (fünf Ratsmitglieder), mit dem Bürgerforum (ebenfalls fünf Stadtverordnete) und der FDP-Fraktion (!) mit drei Ratsmitgliedern. Diese Fraktionen seien alle im Ältestenrat vertreten, die ebenso große oder gar größere Gruppe der Fraktionslosen indessen nicht.
Zugleich sei der Ältestenrat unbestritten der Taktgeber: Entscheidungen, die vom “Stimmvieh im Rat“ beschlossen würden, seien vorher im „Ältestenrat vorbereitet, geprüft und in Bahnen gelenkt“ worden, so dass sie mehrheitsfähig werden konnten. Nicht selten äußerten Vertreter im Ältestenrat schon nach ihren Sitzungen, welche Entscheidung “durch” sei und welche auf der Strecke bleiben werde. Oftmals könnten die Reporter der Tageszeitung schon nach der Sitzung des Ältestenrates gut informiert verkünden, welche Entscheidung der Rat nach seiner nächsten Sitzung getroffen haben wird.
Aus pragmatischen Gesichtspunkten sei der Ältestenrat auch für die Verwaltung eine „zweckmäßige Institution“. „Wer die Alphamännchen der Fraktionen überzeugt, muss sich in der Ratssitzung oder auch in den Ausschusssitzungen keine Gedanken mehr über Mehrheiten machen.“
Wenn die Verwaltung auf seinen Vorhalt erwidere, der Ältestenrat beschließe nicht, so sei das nur formal richtig. Die Verwaltung und die Fraktionen entziehen für Schenk den Fraktionslosen das Recht, an der Entscheidungs-FINDUNG mitzuwirken. „Fünf Ratsmitgliedern, denen ein Teil der Wermelskirchener Bevölkerung das Mandat anvertraut hat, wird die frühzeitige und umfassende Information der Verwaltungsspitze vorenthalten. Fünf Ratsmitglieder werden in ihrer Einschätzung zu Fragen des Gemeinwohls übergangen. Vielfach werden diese Fünf erst durch Tischvorlagen 5 Minuten vor der Ratsentscheidung über wichtige Personal- und oder Sachthemen informiert. So kann eine ordentliche, faire, am Gemeinwohl ausgerichtete Arbeit für die Stadt nicht funktionieren.“
Es gebe verschiedene Wege, um aus der Misere herauszukommen. „Wir müssen die Entscheidungen und die Entscheidungsfindung wieder in die Gremien zurückholen, die dazu bestimmt und demokratisch legitimiert wurden. Wenn der Ältestenrat bestehen bleiben soll – und ich erwarte nichts anderes – ist es nur recht und billig, wenn auch den nicht fraktionsgebundenen Ratsmitgliedern die Mitarbeit eröffnet wird.“ Warum, fragt Horst Walter Schenk, werden die fraktionslosen Abgeordneten nicht, beispielsweise reihum, an den Sitzungen des Ältestenrates beteiligt?
Oder sollten die derzeit Fraktionslosen erst einen neuen Zusammenschluss in Erwägung ziehen, um für Entscheidungen im Rat der Stadt wieder Beachtung und Gehör zu finden?
„Wir haben uns lange damit gerühmt, dass wir im Rat der Stadt Wermelskirchen einen ordentlichen Umgang miteinander pflegen. Zuletzt ist davon wenig bemerkbar.“ Das Fazit von Horst Walter Schenk bleibt bitter.
Recht hat er, der Herr Schenk. Auch wir, die Linken aus WK, prangern diese Vorgehensweise schon seit Jahren an. Als ich 2012 das erste Mal mit der Kommunalpolitik in Berührung kam, stieß mir die Vorgehensweise des Ältestenrates schon übel auf. Im Parteiprogram der Piraten, für die ich damals Politik machte, stand nicht ohne Grund die Forderung, den Ältestenrat in Wermelskirchen abzuschaffen. Und das, was Herr Schenk beschrieben hat, ist ja nicht die einzige „demokratische“ Handlungsweise, die in der Politik zu erkennen ist. Ebenso die Ausschüsse. In den Fachausschüssen sitzen Sachkundige Bürgerinnen und Bürger, die ebenfalls von allen Informationen abgeschnitten werden, weil diese keinen Zugang zu den Arbeitskreisen haben, wo wie im Ältestenrat sehr viel eingetütet und im Ausschuss nur noch mit einer abgesprochenen Mehrheit abgestimmt wird. Man sollte auch erwähnen, dass Einzelratsmitglieder kein Antragsrecht haben. Die betroffenen Leute sitzen im Rat und in den Ausschüssen faktisch nur ihre Zeit ab, weil man an der Mitarbeit massiv gehindert wird. Nicht selten wirkt sich der Zustand auch auf die Motivation aus, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann.
Ich freue mich auf die nächste Kommunalwahl. Sollte die Linke im Jahre 2020 wieder als Fraktion in den Stadtrat einziehen, gibt es nach jeder Ältestenrats- und Arbeitskreissitzung eine Infomail an jede im Ratssystem aufgelistete Person aus erster Quelle. Wer nicht hören will, muss halt fühlen.
MFG
Mike Galow
Ortsvorsitzender DIE LINKE WK