Stadt-Verkehr. Ein Blick zurück und nach vorn.

Der Verkehr in der Stadt, nicht nur in Wermelskirchen, mit dem Auto, auf dem Rad, im LKW oder als Fußgänger, in der Innenstadt, aus der Stadt hinaus oder in sie hinein, zum Einkaufen, zur Suche nach einem Parkplatz oder hin zur Arbeitsstelle kennt kein Oberhaupt, kann nicht von den Belangen einer oder nur weniger Gruppen von Verkehrsteilnehmern aus bestimmt werden. Das Auto steht nicht über dem Rad und der LKW nicht über dem Auto. Weder Größe noch Kraft, weder Geschwindigkeit noch etwa Wendigkeit oder Platzbedarf erheben einzelne Teilnehmer am städtischen Verkehr über andere.

Verkehr kann nur funktionieren, wie ein Orchester funktionieren kann. Der gute Klang entsteht, wenn alle Gruppen gedeihlich zusammenarbeiten, wenn’s für alle Gruppen Regeln gibt, wenn keine eine andere dominiert. Am guten Klang sind alle beteiligt.

In Wermelskirchen indes gelten andere Regeln. Eine starke Autofahrerlobby möchte von gutem Klang nichts hören, von Zusammenwirken nichts wissen. Die ganze Stadt, ihre Straßen und Flächen sollen sich vermeintlichen Bedürfnissen von Autofahrern fügen. Gegen die Expertise von Verkehrsfachleuten. So hat die Verwaltung für die Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr am 5. März dieses Jahres im Zusammenhang mit den Bemühungen, auf der Telegrafenstraßen für Radfahrer den gegenläufigen Verkehr zu ermöglichen, eine Vorlage erstellt, in der behauptet wird, daß „ohne bauliche Veränderung im Einmündungsbereich (Telegrafenstraße/Brückenweg/Loches-Platz)“ die Verwaltung „eine gegenläufige Öffnung der Einbahnstraße dem Rat der Stadt aus Verkehrssicherheitsgründen (Begegnungsfall Bus-Radfahrer) nicht empfehlen“ könne.

Aber bereits am 25. April 2016 hat das Ingenieurbüro ISAPLAN Ingenieur GmbH, Dr.Ing. Peter Sienko, der Stadt eine gutachterliche Stellungnahme zu Behandlung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr überlassen. Ein Ziel war demnach, auf der Telegrafenstraße eine Verkehrsentlastung zu erreichen, indem der reine Durchgangsverkehr verdrängt und mithin eine höhere Attraktivität für Fußgänger/Kunden und Radfahrer entstehe. Die Expertise kommt zu dem Ergebnis: „Die vorhandene Fahrbahnbreite (für einen Radverkehr gegen die Einbahnstraßenrichtung,W.H.) ist ausreichend und entspricht Richtlinien und Regelwerken!“ Was die Notwendigkeit baulicher Veränderungen für den Begegnungsfall Bus-Radverkehr angeht, sagt das Gutachten unter anderem: „Aus planerischer Sicht nicht nötig! Aus RVK Sicht keinerlei Probleme!“

Kurzum: Verkehrsexperten und die Busverkehrsgesellschaft sind komplett gegenteiliger Auffassung als die Verwaltung und die politische Mehrheit im Rat..

In den Debatten in den Ausschüssen wird mitunter noch das Argument der „vermehrten Unfallhäufigkeit bei der Öffnung der Einbahnstraße für den Radverkehr“ herangezogen. Das ISAPLAN-Gutachten dagegen listet die Unfallursachen auf der Telegrafenstraße aus den vergangenen fünf Jahren auf: „Unfallursache Nr. 1 sind beim Parken rangierende PKW mit Fußgängern.“ Es folgen Unfälle unter Alkoholeinfluss sowie solche mit elementarer Missachtung der Verkehrsregeln.

Hier die für den Ausschuss erarbeitete Präsentation von ISAPLAN:

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Für die Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr hatte Frank Schopphoff, einst Aktivist der Pro Bahn-Bewegung in Wermelskirchen für den Erhalt eines Schienenverkehrs in der Stadt und heute städtischer „Fahrradpapst“, eine ausführliche Stellungnahme zur Sicherheitsbewertung vorgelegt. In diesem Papier wird sowohl auf die Positionen der Kreispolizeibehörde, auf die vorliegenden Gutachten sowie die Rechtslage Bezug genommen. Beispielsweise zitiert er die „aktuellste und bundesweite Untersuchung“ zum gegenläufigen Radverkehr, nach der „geöffnete Einbahnstraßen im Vergleich zu nicht geöffneten Einbahnstraßen nicht unfallauffälliger (sind), sondern einen positiven Einfluß auf die Verkehrssicherheit haben“. Schopphoff stellt auch die Frage, warum sich die Verwaltung „ab 2011 einerseits für die kurzfristige Einführung des gegenläufigen Radverkehrs eingesetzt hat und immer wieder betont hat, dass die Radverkehrsentwicklung auf der Telegrafenstraße bereits vor der Bebauung des Lochesplatzes verändert werden könne, und warum sie andererseits heute empfiehlt, in Erwartung besserer Entscheidungsgrundlagen weitere Jahre abzuwarten“. Zur Rechtslage führt Schopphoff aus, daß „Verkehrsbeschränkungen (…) rein rechtliche Entscheidungen (sind), die keiner Mehrheitsentscheidung durch die demokratischen Gremien zugänglich sind“.

Hier die Stellungnahme von Frank Schopphoff, der angekündigt hat, gegen die Entscheidung des Rates und der Verwaltung Klage einreichen zu wollen:

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Und schließlich: Eine Flugschrift aus dem vergangenen Jahrhundert. Schon vor 25 Jahren, im Geburtsjahr des CDU-Vorsitzenden, Christian Klicki, ging es in Wermelskirchen um umweltverträglichen Stadt-Verkehr. 11.000 Bürger hatten eine Petition des Einzelhandelsverbandes und der Initiative “B 51n – jetzt” für eine Umgehungsstraße unterschrieben und damit auch gefordert, daß in der Innenstadt weniger Autoverkehr stattfinde, Lärmbelastung und Luftverschmutzung vermindert werden und daß es sichere Wege für Radfahrer und Fußgänger geben sollte. In den Verkehrsentwicklungsplan (VEP) fand Eingang, daß vor allem der Parksuchverkehr unterbunden werden solle. Abgelehnt haben den VEP seinerzeit der Einzelhandelsverband, die CDU und die FDP, verbunden mit dem, was heute noch stattfindet:  Angriffe auf die Fachkompetenz der Gutachter.

Schon damals aber, 1993, schrieb eine andere Gruppierung, die “Initiative B51 für Stadt und Umwelt”,  daß der Verkehr weiter zunehmen werde, und setzte sich gemeinsam mit dem Fahrgastverband “Pro Bahn” für Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in der Innenstadt und einen Bahnanschluss in Wermelskirchen ein, für ein modernes und integriertes Gesamtkonzept. Gegen vor allem die CDU. Interessant, welche Erkenntnisse ein kleiner Blick in die Stadtgeschichte zu vermitteln vermag. Die Anbindung an die Schiene ist keine Erfindung von Christian Klicki oder der CDU. Sie ist von jenen zuerst vertreten. worden, die sich heute vehement für den Erhalt der Radtrasse auf dem ehemaligen Schienenweg zwischen Lennep und Opladen einsetzen.

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Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Stefan janosi
    • 15.03.18, 22:42 Uhr

    Danke Wolfgang das Du die Fakten an Hand von Gutachten nochmal klar benennst. Leider werden diese seit Jahren konsequent von Mehrheiten im Rat ignoriert. Ander Städte haben die Chance für die notwendige Verkehrswende schon lange erkannt und entsprechend gehandelt. Teile der Politik in Wermelskirchen blockieren zukunftsfähige Mobilitätskonzepte und verspielen so wichtige Vorteile für unsere Zukunft.

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