Denkverbote

Es dürfe „keine Denkverbote“ geben. Ein wunderbarer Satz, mit dem Christian Klicki, Chef der hiesigen Christdemokraten, gestern einen Antrag in den Ausschuß für Stadtentwicklung und Verkehr einbrachte, der die Verwaltung verpflichtet zu untersuchen, ob und inwieweit die ehemalige Bahntrasse für eine schienengebundene oder andere hochtechnologische Schnellverbindung in die Metropole Köln geeignet wäre.

Eine wunderbarer Satz, zutiefst demokratisch und universell gültig. Es darf keine Denkverbote geben. Nirgendwo und zu keinem Zeitpunkt. In einer demokratischen Gesellschaft geht Nachdenklichkeit immer vor Gewißheit, rangieren Bedacht vor Ideologie, Bedenken vor ewigen, vor quasireligiösen Wahrheiten.

Eigentlich. Denn in Wahrheit rangiert vor allem in der kommunalen Politik, die ehrenamtlich neben Schule, Studium oder Beruf betrieben wird, aber dennoch zeitaufwendig von Politikern Einarbeitung in mitunter sehr komplizierte fachspezifische Sachverhalte erfordert, die Lektüre wissenschaftlicher Abhandlungen, unablässige Beratungen, Begehungen, Sitzungen, eigentlich sind aus eben dieser Kommunalpolitik gewisse Denkverbote gar nicht wegzudenken.

Warum etwa mußte ein Verkehrsversuch auf der Telegrafenstraße noch in der Erprobungsphase abgebrochen werden, von der Fraktion, die gestern die Offenheit der Gedanken für sich in Anspruch nahm? Weil die ewige Wahrheit lautet, daß für die Stadt gut ist, was für die Autofahrer gut ist. Wenn Autos vor den Geschäften parken können, freue sich der Einzelhandel. Was für den Händler gut ist, so die quasireligiöse Gewissheit, ist auch für die Stadt und ihre Bürger gut.

Warum etwa wird eine monetäre Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt so abgelehnt, wie es der Teufel mit dem Weihwasser macht? Weil es nicht gut für die Autofahrer wäre und die Erträge die Aufwendungen nicht rechtfertigten, sagt die Partei der Denkverbotsgegner. Das aber weiß niemand in der Stadt wirklich genau und konkret.

Warum etwa soll in Wermelskirchen nicht möglich sein, was in einer großen Anzahl von Städten auch mit viel mehr Verkehr als hier in der Telegrafenstraße möglich ist, daß nämlich Radfahrer gegen die allgemeine Fahrtrichtung fahren dürfen? In Köln, Münster, Bielefeld, in Bonn, Duisburg und anderswo geht das. Ohne Tamtam, ohne ideologische Besserwisserei. Kein Denkverbot. Das täte Not in Wermelskirchen. Offenheit auch für Positionen, die im eigenen Verein bislang nicht denkbar waren. Ich bin da ganz auf Christian Klickis Seite.

Das Gegenteil von Denkverboten wäre Offenheit. Wären Ungewissheit, Bedenklichkeit, Skrupel. Und Respekt. Die blitzen aber nur wirklich ganz selten auf in den vielen, vielen Sitzungen von Ausschüssen und Stadtrat, von Fraktionen und Parteien, von Ortsvereinen und Jugendorganisationen.

Es darf keine Denkverbote geben. Ein mutiger Satz. Einer, der einen Neuanfang markieren könnte. Könnte.

Kommentare (4) Schreibe einen Kommentar

    • Dieter von Dreusche
    • 07.03.18, 15:32 Uhr

    ich weiss zuverlässig, dass in den Städten Köln, Münster, Bielfeld, in Bonn, Duisburg und anderswo die Bretter an anderer Stelle zu finden sind. Jedenfalls nicht vor dem Kopf.

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    • Petra
    • 07.03.18, 20:16 Uhr

    Ich habe am Montag – nein, nicht schreiend (hätte ich gern, aber man ist ja sozialisiert) – aber kopfschüttelnd nach dem dritten Redebeitrag zum Parkraumkonzept die Zuschauerränge verlassen. Gefühlte 10 Jahre werden hier immer wieder die gleichen Stanzen abgesondert. Gutachten werden für teuer Geld erstellt und am Ende wissen wir eh alles besser. Dass der Einzelhandel aufgrund mangelnder, aber auf jeden Fall bei kostenpflichtigen Parkplätzen, zugrunde gehen wird. Dass auf der Telegrafenstraße jede Menge Unfälle passieren werden, wenn die Radfahrer auch in entgegengesetzter Richtung dort fahren dürfen. Dass potenzielle Einkäufer nicht bereit sind, auch nur 1 Euro für‘s Parken auszugeben und dass das eh für die Stadt ein Verlustgeschäft wird. Dass ein Versuch, den Verkehr aus der Telegrafenstarße herauszubekommen, scheitern wird und deshalb direkt abgeblasen werden muss.

    Über all das sind die meisten Fraktionen, gewiss aber die CDU, nicht bereit nachzudenken. Auch nicht, wenn Gutachten das Gegenteil behaupten. Rausgeschmissenes Geld.

    Ich frag mich allen Ernstes, warum wir uns einen Vortrag von einem Herrn Dr. Molitor anhören, der viele interessante Themen für die Stadtentwicklung hier in WK aufgezeigt hat, wenn wir doch eigentlich vorher wissen: Wir wissen das eh besser.

    Darum appelliere ich inständig an alle Beteiligten, für die Prüfung der Möglichkeiten, Wermelskirchen an die Bahn anzubinden, keinen Cent städtisches Geld auszugeben. Denn egal, was bei dieser Prüfung herauskommt: Wir wissen es eh besser.

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  1. Bisher kam das Verbot, eine Reaktivierung der Balkanstrecke auch nur zu denken von der CDU. Wer hat denn alles getan, dass die Bahn nicht wieder kommt? Wer hat im Kreistag gefordert, die Balkanstrecke aus der Landesplanung zu streichen? Und das obwohl es Untersuchungen gab, die eine Reaktivierung empfahlen.

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    • stefan janosi
    • 08.03.18, 12:52 Uhr

    Denkverbote sollte es nicht geben! Hört sich gut an, aber warum verschließt sich die CDU denn den seit Jahren überfälligen Denkanstößen für eine zukunftsfähige Mobilitätsstruktur? Mit allen Mitteln bekämpfen seit Jahren immer die gleichen Kommunalpolitiker verkehrspolitische Projekte, die in anderen Städten schon seit Jahren zur Selbstverständlichkeit gehören. Gegenläufiger Radverkehr, faire Steuerung des ruhenden Verkehrs, um hier nur zwei zentrale Punkte zu nennen. Die bisherige Bilanz dieser Politik: die Verkehrssituation in der Innenstadt hat sich seit Jahrzehnten kaum verändert. Parksuchverkehr wie in den 70ern, teilweise schikanöse Verkehrsführung für Radfahrer und ein unattraktives Umfeld für Fußgänger. Wer so die Herausforderungen der Zukunft angehen möchte hat schon lange den Anschluß verloren.

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