Demokratiesalon: Autorenlesung und Diskussion mit Jürgen Wiebicke, Moderator des Philosophischen Radios im WDR
„Demokratiesalon der Volkshochschule Bergisch Land“. Ein hübscher Titel, der der Begegnung mit einem Autoren, der Lesung und anschließender Diskussion zugleich einen Ort mitgibt, den gesellschaftlichen Platz beschreibt, an dem Zuhören, Verstehen und Auseinandersetzen stattfindet.
Jürgen Wiebicke, Moderator des Philosophischen Radios im WDR, las heute Abend in Burscheid aus seinen Büchern “Zehn Regeln für Demokratie-Retter” und “Zu Fuß durch ein nervöses Land – Auf der Suche nach dem, was uns zusammenhält”, erzählte, warum er diese Projekte begonnen hatte, legte seinen aktuellen Befund der Gesellschaft vor und erläuterte, was der Einzelne seiner Ansicht nach zur Stützung der demokratischen Verhältnisse in unseren Land tun könne. Ein nervöses Land, so sein Befund, weil zwischenzeitlich Koordinaten fehlten, die einst Sicherheit gaben, Orientierung. Eine zusehends individualisierte Gesellschaft gebe mehr und mehr Rituale auf und gesellschaftliche Felder preis, die einst Gemeinschaft stifteten. Soziale Agenturen erlitten einen Bedeutungsverlust, so daß soziale Rollen nicht mehr im erforderlichen Maße erlernt werden könnten, Schulen und Hochschulen, Großorganisationen wie Parteien, Kirchen oder Gewerkschaften. Globalisierung und Digitalisierung lieferten keine zureichenden Antworten auf Sinnfragen und trügen so zur Erosion der Demokratie in unserer Gesellschaft bei.
Mehr als dreißig Menschen sind der Einladung der Volkshochschule in die Burscheider Buchhandlung Hentschel gefolgt. Mit Recht darf man ein literarisch zumindest interessiertes Publikum vermuten, Menschen, die für die Vorgänge in ihrer Stadt und der ganzen Gesellschaft aufmerksam sind, achtsam die Probleme von Politik und demokratischer Verfassung verfolgen.
Ganz in der Tradition des literarischen Salons, die hernach, in den späten sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erneut aufgegriffen und als „republikanischer Salon“ eine kurzzeitige Renaissance erlebte, bot die Lesung das Material, mit dem ausgestattet die Hörer in eine Debatte auf Augenhöhe mit dem Referenten eintraten, in der Zuhören, Nachdenken und Antworten gleichgewichtig waren, in der es mehr um die Erkenntnis ging als um das Überzeugen, ums Verstehen mehr als ums Antworten.
Eine kluge Diskussion, mehr Fragen als Antworten, mehr Zweifel als Gewißheiten. Ein Demokratiesalon eben. In des Wortes bester Bedeutung eine Volkshochschule, in der die Demokratie als Lebensform immer wieder belebt und verteidigt wird.