Die Integration von Flüchtlingen und Migranten in Wermelskirchen funktioniert vergleichsweise gut, vor allem Dank der vorbildlichen ehrenamtlichen Arbeit der Flüchtlingsinitiative „Willkommen in Wermelskirchen“, die in vielen unterschiedlichen Bereichen tätig ist. Das ist, kurz gesagt, das Fazit des heutigen politischen Frühschoppens im Haus der Begegnung. Unter der Leitung von Hartmut Lürtzing debattierten im voll besetzten Saal Bürgermeister Rainer Bleek, die Sprecherin von „Willkommen in Wermelskirchen“, Pfarrerin Cornelia Seng, Herr Kücükhüseyin als Vertreter der türkischen Ditib-Gemeinde, sowie Dirk Jäckel vom Amt für Inklusion und Integration beim Rheinisch-Bergischen Kreis. 50 bis 60 Gäste waren an der Debatte über Integration interessiert, unter ihnen einige Vertreter der lokalen Parteien sowie eine Reihe von Flüchtlingen.
Man war sich schnell einig. In Wermelskirchen haben sich Verwaltung und Zivilgesellschaft beinahe vorbildlich des aktuellen Problems der Zuwanderer und Flüchtlinge angenommen und die ehrenamtlichen Helfer leisten einen enormen Beitrag bei der Integration der neuen Bürger, etwa bei der Versorgung mit Möbeln, mit Wohnraum oder Arbeitsstellen, im Umgang mit Behörden oder Verwaltungen, beim Erwerb der deutschen Sprache. Einigkeit herrschte auf dem Podium auch darüber, daß die überwiegende Mehrheit der Neubürger integrationswillig ist und alles unternimmt, um von der Mehrheitsgesellschaft gut aufgenommen und akzeptiert zu werden.
Wermelskirchen hat fast 80 % der Zuweisungsquote erfüllt, so daß die Stadt nurmehr wird noch etwa 45 Menschen neu aufnehmen müssen, vorausgesetzt, die Zuwanderungszahlen ändern sich nicht dramatisch.
Nur in den Zwischentönen war bisweilen auch eher Kritisches zu vernehmen. Das Ausländerrecht werde, so war einhellig auf dem Podium zu vernehmen, der realen Situation der Gesellschaft nicht gerecht. Es hindere Menschen ohne Anerkennungsstatus daran, eine Arbeit aufzunehmen oder eine Ausbildung zu beginnen. Cornelia Seng berichtete von einem Flüchtling aus Eritrea, der bereits seit 2014 in Wermelskirchen lebt, aber nicht arbeiten darf, weil sein Fall noch nicht abschließend entschieden ist. Absurd. Arbeitgeber, die Flüchtlinge oder Zuwanderer einstellen wollen, brauchen Rechtssicherheit, damit sie nicht Menschen beschäftigen, die nach kurzer Zeit den Betrieb wieder verlassen müssen.
Der Wohnungsmarkt sei eher angespannt. Da der soziale Wohnungsbau viele Jahre lang kaum stattgefunden habe, hätten heute sowohl Flüchtlings- wie auch deutsche Familien große Mühen, an eine passende Wohnung zu kommen. Die Stadt mühe sich zwar, geeigneten Wohnraum zu schaffen, denn private Investoren seien nicht wirklich aktiv. Bürgermeister Bleek merkte kritisch an, daß zudem dem Handeln der Kommune durch eine enorme Verrechtlichung immer engere Grenzen gesetzt würden. Aktuell beispielsweise werde gegen den Bau von Flüchtlingsunterkünften der Natur- und Artenschutz ins Feld geführt.
Gleichsam als Schlußwort verlas Ashfaq Javed aus Pakistan seine persönlichen Überlegungen zur Integration in die deutsche Gesellschaft. Cornelia Seng übersetzte simultan den auf Englisch geschriebenen Text. Hier einige seiner Überlegungen:
(…) In den letzten fünfzehn Monaten habe ich überhaupt niemanden hier getroffen, keinen Deutschen und keinen Flüchtling, der nicht Respekt vor dem anderen gezeigt hat. Wir leben hier in Frieden miteinander, und das ist ein eindrucksvolles Beispiel für Integration. (…) Ich glaube, es ist unmöglich, die eigene Kultur, Religion und eigenen Werte zu vergessen, aber trotzdem haben wir vieles gemeinsam, die Menschenwürde und die Menschenrechte. Wir akzeptieren diese gemeinsam Basis, egal welcher Religion, Hautfarbe, ethnischer Herkunft oder Nationalität wir sind. Ich habe mich in Wermelskirchen niemals allein gelassen gefühlt, wann immer ich Unterstützung brauchte, habe ich sie sofort bekommen in Respekt und Wertschätzung durch „Willkommen in Wermelskirchen“ und auch von persönlichen Freunden. Ich bin der Wermelskirchener Bevölkerung echt dankbar und sage ihnen meine Hochachtung. Zu sagen, „Willkommen in Wermelskichen“ sei ein Icon, ein Vorbild, ist glaube ich nicht falsch. Obwohl ich natürlich leide unter der Trennung von meiner Familie, meinen Freunden und meiner Heimat, fühle ich mich gesegnet und glücklich, hier zu sein. Soweit ich sehe, läuft hier alles recht gut. Wenn ich sage „gut“, heißt das auch, es gibt Dinge, die man noch besser machen könnte. Zum Beispiel gibt es vom Bundesamt für Flüchtlinge aus fünf Ländern einen bezahlten Sprachkurs bei der VHS. Diese Bevorzugung führt zu Unsicherheit und Stress zwischen den verschiedenen Nationalitäten. Die Unsicherheit über den Ausgang deines Asylverfahrens ist ein großes Hemmnis der Integration, weil du eben total unsicher bist, ob du in Deutschland bleiben darfst. (…) Vielleicht könnten Unternehmer eine Steuererleichterung bekommen, wenn sie Flüchtlinge einstellen, damit sie ermutigt werden, Arbeitsplätze zu schaffen. (…) Vielleicht kann Deutschland anknüpfen an der Idee der Gastarbeiter, die in der Nachkriegszeit aktuell war. Damals half das, das in Trümmern liegende Deutschland wieder aufzubauen, jetzt könnte es die in Trümmern liegende Lebensgeschichte der Flüchtlinge wieder aufbauen.
Eine vorbildliche Veranstaltung des Hauses der Begegnung. Eine offene und würdige Diskussion eines zentralen kommunalen Themas. Eine ehrliche Debatte, die Mut machte, ohne Probleme zu beschönigen. Ein politischer Frühschoppen, der den politischen Parteien in der Stadt gut zu Gesicht stünde. Danke Frau Schröder, danke Herr Lürtzing.
(© Fotos: Lutz Balschuweit)