Parteien, Zwist und Zwischenmenschliches

Ein Einwurf von Wolfgang Horn

Horst-Walter Schenk, ein liberales Urgestein und ehemaliger Ortsvorsitzender der FDP, ist der vorerst Sechste von 54 Wermelskirchener Stadtverordneten, der seiner Partei bzw. seiner Fraktion den Rücken gekehrt hat. In der laufenden Wahleriode. Seit 2014. 

Das, finde ich, ist eine erstaunliche Quote. Schenk hat öffentlich dargelegt, sein Austritt aus der Fraktion habe mit zwischenmenschlichen Problemen in der Fraktion zu tun. Heike Lehmann, die zwischenzeitlich ebenfalls ihrer Fraktion, der CDU, den Rücken gekehrt hatte und bei der Ratssitzung am vergangenen Montag alleine auf einer Bank hinter der FDP und dem Bürgerforum Platz nehmen mußte, ist zwischenzeitlich in den Schoß von Partei und Fraktion zurückgekehrt, wie man einer lapidaren Mitteilung der CDU entnehmen konnte. Auch dieser Austritt, so hört man, habe mit Zwischenmenschlichem zu tun, mit dem Umgang untereinander. Bei Jutta Hildner, die sich schon vor geraumer Zeit von der CDU-Fraktion abgewandt hatte, war das wohl ebenso. Das Zwischenmenschliche. 

Rainer Schneider hat sich wohl aus politischen Gründen von seiner Partei Die Linke getrennt. Wobei Kreisverband und Ortsverein dieser Partei gleichermaßen seit langem heftige Krisengebiete darstellen. In mindestens zwei verschiedene Lager getrennt in Bergisch Gladbach, in Wermelskirchen mittlerweile leblos, weil es nur noch weniger als eine Handvoll Aktivisten gibt. Thorn Seidel, ursprünglich bei Die Linke in Wermelskirchen, war einer der Streithähne, die Mitverantwortung tragen für das Desaster dieser Partei und Fraktion. Thorn Seidel hat die Seiten komplett gewechselt, zur WNKUWG und spielt dort jetzt die Rolle eines Adlatus’ von Henning Rehse. Politische Gründe waren es wohl nicht. Eher der persönliche Zwist in der Partei und vielleicht die fehlende persönliche Perspektive.

Begonnen hatte die Abwanderungsbewegung mit Andreas Müßener, der für die AfD in den Rat gewählt wurde und nunmehr die Fahne der LKR hochhält, der Liberal-Konservativen Reformer, eines kleinen Zusammenschlusses um den ehemaligen AfD-Gründer Bernd Lucke. Es waren wohl auch persönliche Gründe, die Müßener aus der Partei trieben. Die Rechtsentwicklung der Wermelskirchener AfD zu einer Partei Höckeschen Zuschnitts, die Müßener heute kritisiert, setzte erst später ein. Und: Schon zu Zeiten von Andreas Müßener war die AfD ein Versammlungsort von Rechtspopulisten, Nationalkonservativen und solchen Mitgliedern, die die Ränder zum rechtsextremen Lager ausfransen ließen. 

Parteien sind Gruppen, Vereinigungen von Menschen, die sich gleiche und vergleichbare Ziele gesetzt haben zur Gestaltung und Umgestaltung der Gesellschaft, des Gemeinwesens. Sie versammeln Menschen mit gleichen und ähnlichen Interessen und bündeln deren Kräfte zu ihrer Durchsetzung. 

Offenbar aber haben Parteien im internen Umgang, einige Parteien jedenfalls, mitunter durchaus Schwierigkeiten, das Menschliche, das Verbindende, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen. Womöglich leidet der menschliche Umgang dort, wo es um Macht geht, um Durchsetzung, um Kraft und Ellenbogen oder taktische Finessen. Ich möchte gar nicht wissen, wieviele Parteimitglieder oder solche von Fraktionen mitunter eine Faust in der Tasche machen, ohne auszutreten, ohne große Glocke, ohne öffentliches Tamtam. Aber wie will man Menschen außerhalb der Parteien überzeugen, wenn es innerhalb der Parteien zugeht wie bei den Kesselflickern? Vertragen sich Profilierung und Menschlichkeit wirklich so schlecht? Das wäre indes schade. Man möge mich bitte davon überzeugen, daß es sich anders verhält.

Kommentare (3) Schreibe einen Kommentar

    • Galow
    • 12.07.17, 17:38 Uhr

    Sehr geehrter Herr Horn,

    Sie sprechen ein Problem an, dass es bei allen Parteien gibt, auch bei den Parteien, die Sie in Ihrem Artikel nicht aufgeführt haben. Und ja, Sie haben recht, dass es natürlich ein Hemmnis ist, wenn man auf neue Mitglieder oder aktive Leute angewiesen ist. Eine Partei wie die CDU kann einen Streit oder Austritt viel besser kompensieren als z.B. die Linke. Daher kommt bestimmt auch Ihr persönlicher Eindruck, die Linke in Wermelskirchen wäre leblos. Ich kann aber verstehen, dass man sich das gerne wünschen würde. Nein, die Linke WK ist, wie Sie ja schon geschrieben haben, aufgrund der wenigen aktiven Leute zurzeit vielleicht ein bisschen “fußlahm”, aber ganz bestimmt nicht tot, so wie es z.B. in einer Facebookgruppe beschrieben wurde. Wir arbeiten im Rahmen unserer Möglichkeiten, die zugegeben, nicht gerade zahlreich sind, da wir nicht mehr im Rat der Stadt Wermelskirchen vertreten sind (kein Antragsrecht, keine Arbeitskreise, keine Informationen).

    Dennoch haben wir durch unsere Arbeit gezeigt, dass wir hier in WK immer noch das Zeug haben, um 2020 als Fraktion den Wiedereinzug in den Stadtrat von Wermelskirchen zu schaffen, was durch die Zahlen der letzten Landtagswahl bestätigt wurde. Die Tatsache, dass der Ortsverein Wermelskirchen den letzten Direktkandidaten für die Landtagswahl NRW gestellt hat, ist auch nicht unbedingt ein Indiz dafür, dass die Linke WK tot ist. Auch hat die Linke WK einen neuen Sachkundigen Bürger hinzugewonnen, der parteilos im Ausschuss Stätischer Abwasserbetrieb tätig ist. Statements zu politisch aktuellen Themen findet man vorzugsweise auf unserer Facebookseite, wo trotz mehrfach ausgestelltem Totenschein eine sehr hohe Reaktionszeit zu vernehmen ist. Übrigens, auch mit Ihrer Einschätzung der Ortsgruppe GL liegen Sie falsch. Die Situation hat sich vor dem Landtagswahlkampf verändert. Auch dieser positive Vorgang wird durch die Zahlen der Landtagswahl untermauert.

    Ich persönlich würde mir für Wermelskirchen wünschen, dass sich die Einzelratsmitglieder mal zusammen setzen und dann mal darüber reden, ob nicht die Möglichkeit besteht, eine neue Fraktion zu gründen.

    MFG
    Mike Galow
    Ortsvorsitzender DIE LINKE WK

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    • Jutta Hildner
    • 12.07.17, 19:58 Uhr

    Lieber Wolfgang,

    Du schreibst mal wieder einzigartig. Es verwundert mich aber, dass Du meinen Namen nennst, ohne mal vorher mit mir gesprochen zu haben. Ich weiß, das nennt man Pressefreiheit.

    Ich bin aus der CDU ohne großes Tamtam zum Dezember 2015 ausgetreten. Den Austritt habe ich still vollzogen und keinem von euch ist er aufgefallen. Ich habe trotzdem, ich sag mal frech: “mein Wermelskirchen” im Blick behalten. Dies ergab dann ein hitziges Wortgefecht in einer Facebookgruppe mit einem Herrn, der nicht unbekannt in einigen dieser Gruppen ist. Das Ergebnis war, dass er meinen Austritt an die große Glocke gehängt und die Presse informiert hat. Ich habe ein Gespräch mit der Presse weiter abgelehnt. Der CDU hatte ich meine Mitarbeit dennoch angeboten. Von ihr wurde ich sogar einmal eingeladen. Dieser Einladung bin ich gerne gefolgt und habe auch mitgearbeitet. Leider blieb es nur bei diesem einen mal. Ich dränge mich nicht auf.

    Werde ich aber gefragt, dann bekommt man immer eine Antwort. Ich bin nicht in Wermelskirchen geboren worden, aber es ist meine Heimat geworden und wir sind gerne hier. Meine norddeutschen Wurzeln mag ich nicht verstecken: ich bin sehr direkt und leider manchmal auch zu ehrlich. Ich finde das Ehrenamt der Stadtpolitik enorm wichtig, als Arbeit im Team mit grundehrlichem Umgang.

    Am Montag sagte mir jemand, ein solcher Parteiaustritt erfordere Mut. Ich glaube, ich habe etwas verdutzt geschaut. Mutig finde ich es nicht, sondern ehrlich. Und wichtig ist mir, daß man sich nicht verbiegen lässt, denn dafür bin ich nicht gewählt worden.

    Ich habe den Platz hinter dem Bürgerforum, nicht Frau Lehmann. Die saß hinter der FDP. Ich bin fraktionslos geblieben. Denn ich bin nicht wegen der Partei ausgetreten. Eine Partei lebt von Ihren unterschiedlichen Mitgliedern. Gleich, ob sie jung oder alt sind: sie müssen alle gleichgestellt sein. Klar muss es, ich darf es mal spaßhaft formulieren, “die Vortänzer” geben. Aber eine solche Position erfordert vor allem den Blick für die Gleichheit. (Interessant war, dass andere Fraktionen immer vor mir gewarnt worden sind.) Ich nehme es mit einem Lächeln, denn es gibt wahrlich Wichtigeres.

    Ich bringe mich trotzdem ein, habe gute Gespräche mit anderen Fraktionen wie auch mit den Stadtangestellten. Denn ich weiß nur zu gut, wie es ist, einem Ratsmitglied Antworten geben zu müssen. Ich arbeite schließlich selbst bei einer Stadtverwaltung.

    Wenn Frau Lehmann zurück zur CDU ist, wird Sie Ihre Gründe haben.

    Aber nun genug, ich freue mich auf ein Gespräch mit Dir und möchte mit einem Zitat schließen:

    Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.

    Dietrich Bonhoeffer

    Liebe Grüße
    Jutta

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    • Andreas Müßener
    • 17.07.17, 7:56 Uhr

    Guten Tag zusammen,

    ich erkenne teils gravierende Sachmängel bei der Recherche-Arbeit im AfD-Absatz. Diese Fehler lassen Absicht vermuten.

    1) Die Fraktion habe ich verlassen, weil ich die Fehltritte der Fraktionsführung nicht länger politisch und organisatorisch verantworten konnte. Auch der von mir informierte Kreisverband konnte leider an den Zuständen nichts ändern. Die Partei habe ich in der Nacht verlassen, als Bernd Lucke abgewählt wurde. Die Hypothese ist also falsch von Herrn Horn.

    2) Die Einschätzung ist völlig falsch! Die Rechtsentwicklung der Wermelskirchener AfD setzte nicht nach, sondern bereits vor meinem Austritt ein. Für meine Kritik an diversen Äußerungen und Handlungen am rechten Rand, bekam ich vom Ortsvorstand eine Art Abmahnung Ende 2014. Daraufhin verließ ich den AfD-Vorstand zu Beginn des Jahres 2015. Der damals noch gemäßigte AfD-Kreisverband bewertete die Abmahnung des Stadtverbandes als gegenstandslos, mahnte aber dann ein anderes Mitglied in mehreren Fällen ab aufgrund rechtspopulistischer Äußerungen.

    3. Das ist nicht wahr und eine miese Recherchearbeit. Die AfD ging in großen Teilen an den Start mit liberalen und konservativen Mitgliedern aber auch einem kleinen Flügel, der rechtsnational geprägt war. Als der rechtsnationale Flügel lauter wurde, verließen 2014 eine Vielzahl von liberalen Mitgliedern die Partei. Bernd Lucke versuchte bis zuletzt, den liberal-konservativen Flügel stark zu halten bis zum Parteitag in Essen. Nach seinem Austritt kam es zur stetigen Entwicklung nach rechts. Wer dies anders sieht, der ignoriert grundsätzlich das deutschlandweite Presseecho zu und ab diesem Zeitpunkt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Andreas Müßener
    LKR-Mitglied im Wermelskirchen Stadtrat

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