VHS Bergisch-Land: Beratung zur Beruflichen Entwicklung

IMG_5574Seit 2015 bietet die Volkshochschule Bergisch-Land eine Beratung zur beruflichen Entwicklung an. Finanziert wird das Unternehmen vom Ministerium für Arbeit in Nordrhein-Westfalen und dem europäischen Sozialfonds. Im VHS-Programm heißt es u.a.: “Die professionelle Laufbahnberatung unterstützt Menschen in beruflichen Veränderungsprozessen, z.B. wenn das befristete Arbeitsverhältnis ausläuft, die Gesundheit die Arbeit beeinträchtigt,derArbeitgeber Insolvenz anmeldet, die Arbeitsstelle nicht mehr mit der Familiensituation übereinstimmt oder der im Ausland erworbene Abschluss anerkannt werden soll. IMG_1404Die Beratung wird von qualifizierten Beraterinnen durchgeführt und ist kostenlos. Damit haben insbesondere auch Personen, die sich keine teure Beratung leisten können, die Möglichkeit zu einer professionellen Laufbahnberatung.” Das Forum Wermelskirchen sprach mit Marjanne Meeuwsen und Martina Schankin, beide Diplom-Sozialpädagoginnen und hauptamtliche pädagogische Mitarbeiterinnen der VHS Bergisch-Land.

 

Frau Meeuwsen, Frau Schankin, Sie bieten in der VHS Bergisch Land „Beratung zur Beruflichen Entwicklung“ an, ein vom Land NRW und der EU finanziertes Coaching-Angebot. Für wen ist dieses Angebot bzw. wer nimmt das Angebot in Anspruch?

Es kommen diejenigen in die Beratung, die auf der Suche nach Ihrem Traumjob sind.

Gibt es denn so etwas wie einen Traumjob?

Der Traumjob ist für jede und jeden unterschiedlich. Im Großen und Ganzen geht es aber darum, in Übereinstimmung mit den eigenen inneren Werten, Begabungen und Erfahrungen zu sein.

Wie meinen Sie das?

Ein 32-jährige Betriebswirtin, der ihre Eltern zu dieser Berufswahl geraten haben, wurde letztendlich darüber krank. Es zog sie in die soziale Arbeit. Sie wollte mit und für Menschen arbeiten und nicht immer den wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt sein. Jetzt hat sie eine Stelle als Coach für Arbeitsvermittlung.

IMG_5588Geht das so einfach?

Dazu braucht es viele einzelne Schritte, dieser Weg war sicher etwas länger: Eine Fortbildung als Beraterin oder Coach (dafür gibt es gegebenenfalls den Bildungsscheck NRW), eine Honorartätigkeit bei einem Träger für berufliche Integration neben der Erwerbstätigkeit und dann die Festanstellung.

Da verdient sie jetzt sicher weniger?

Ja, das ist so. Dafür lebt sie jetzt in Übereinstimmung mit ihren Werten und es geht ihr viel besser damit als mit dem besser dotierten Job. Vor allem braucht man am Anfang aber eine Vision: „Wo will ich hin“.

Wie entwickelt man solch eine Vision?

Dazu gibt es verschiedene Methoden in der Beratung. Wir nutzen beispielsweise den Talentkompass NRW, in dem die Beratenen bisherige Talente mit lang gehegten Wünschen verbinden und dabei neue Berufswünsche entstehen lassen. Manchmal kann man so die „eigene Stelle backen“. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, erstmal kann alles gedacht werden. Danach erkundigt man sich, wie und wo es eine solche Tätigkeit gibt, und wo jemand gebraucht wird. Man weiß sowieso, dass der Großteil der Stellen informell, d.h. nicht über Ausschreibungen, vergeben wird.

IMG_5575Also das übliche „Geklüngel“?

Nein, das bedeutet schlicht, dass ich in meinem persönlichen und beruflichen Netzwerk nach dem losen Ende eines Fadens suche. Das Netzwerk ist kein geschlossenes System, es ist dynamisch. Und wenn ich an dem losen Ende ziehe, kann es passieren, dass eine Stelle dabei herauskommt.

Wie geht das?

Eine 55-jährige Verkäuferin, mit dringendem Änderungswunsch wegen einer sehr schwierigen Arbeitssituation, hatte noch eine 450€ Stelle nebenher. Ihr Chef dort hat ihr kurz nach dem Beratungstermin eine passende Teilzeitstelle in einer anderen Filiale angeboten. Dort wird sie wertgeschätzt, ausreichend, sogar besser bezahlt als vereinbart, und jetzt macht sie ihre Arbeit wieder gerne.

Das klingt so einfach.

Wichtig ist der Wunsch zur Veränderung. Der setzt Energie frei und damit kann ich in meiner Lebenssituation etwas bewegen. Ich rede darüber, verhalte mich aktiv und das macht sich bemerkbar. Dabei kommt es darauf an zu wissen, was mir für meine Arbeit wichtig ist: Die Rahmenbedingungen, die Arbeitszeiten, das Einkommen, aber auch die menschliche Seite und die Werte. Alle, die in die Beratung kommen, suchen auch einen Sinn in ihrem Berufsalltag. Schließlich macht die Arbeit ein Großteil unserer Wach-Zeit aus und die Unzufriedenheit kann ich in meiner Freizeit nur bedingt ausgleichen. Work-Life-Balance heißt vor allem: Auf der Arbeit in Balance sein.

Und das Angebot richtet sich nicht nur an Akademiker? Sie sprachen jetzt von einer Verkäuferin?

Die Beratung ist offen für alle. Zu uns kamen schon Friseur/innen, Jurist/innen, Vertriebsleitungen, Verkäufer/innen, Köch/innen, Bäcker/innen, Sozialpädagog/innen, Student/innen, Erzieher/innen, im Alter von 20 bis Ende 50. Zudem sind wir auch behilflich, wenn im Ausland erworbene berufliche Abschlüsse hierzulande anerkannt werden sollen. Wir helfen beim Procedere, bei der Kommunikation mit Behörden und Ämtern. So hat eine Philipina  jetzt eine Stelle als Alternpflegerin bekommen, nachdem wir sie unterstützt haben bei der Anerkennung ihrer Ausbildung im Heimatland.

Man spricht heute viel vom Burnout und Mobbing – kommen Personen mit diesen Erfahrungen auch in Ihre Beratung?

Ja, manche sind noch arbeitsfähig, aber kurz davor, in ein Burnout zu geraten. Oder sie werden gemobbt und wissen nicht weiter.

Können Sie denen wirklich helfen?

IMG_5587In der Beratung werden die eigenen Fähigkeiten gespiegelt und die Menschen erleben Erfolge, auch wenn es kleine Schritte sind. Eine Beratung kann bis zu 9 Stunden umfassen und auch mit längeren Zwischenzeiten von z.B. einem Monat gestaltet werden. Dann überlegen die Beratenen nächste Schritte, die sie als Arbeitsaufgabe, als „Hausaufgabe“ mitnehmen, wie z.B. das Ausfüllen des Talentkompasses. Oder das Heraussuchen einer passenden Fortbildung oder der Anruf bei einer Person, die bereits die Traumstelle hat. In der nächsten Beratungsstunde besprechen wir das und es gibt Feedback und die nächsten Schritte werden geplant.

Und das funktioniert immer?

Das ist keine Zauberformel. Gerade bei Burnout braucht es manchmal auch flankierende Therapie. Und ab und zu muss eine Pause eingelegt werden, weil die persönliche Situation dann Vorrang hat und es etwa eine Rehamaßnahme gibt. Lieber sollte man natürlich in die Beratung kommen, bevor der Burnout eintritt. Aber in vielen Fällen funktioniert das, wie z.B. bei dem Juristen, der in verschiedenen Firmen erfolgreich gearbeitet hat. Jetzt hat er eine Stelle bei der Diakonie in der Personalabteilung.

Oder auch die Situation der Bäckerin, die nach 20 Jahren Kinderpause wegen einer unerwarteten Trennung wieder finanziell eigenständig sein musste. Sie hat jetzt eine Stelle in einer Wohngemeinschaft eines Altenheims gefunden und bereitet dort die Mahlzeiten vor, teilweise mit den Bewohner/innen. Dazu hat sie eine Fortbildung „Ernährung im Alter“ gemacht, nachdem sie die Stelle angetreten hatte, vom Arbeitgeber finanziert. Und jetzt verdient sie ihren Lebensunterhalt selbst.

Es geht also auch ums Geld?

Bildschirmfoto 2017-01-16 um 17.12.17Der Verdienst ist wichtig. Menschen haben den Wunsch, ihren eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Da gibt es unterschiedliche Ansprüche. Wichtig ist, dass alles zusammenpasst: beruflicher Hintergrund, Werte, Arbeitszeit, Familiensituation, das Geld, die Entlohnung.

Nicht immer macht der nächste Schritt auf der Karriereleiter glücklich. Wir nutzen auch schon mal die Fantasie derjenigen, die zu uns kommen; wie lassen die Ratsuchenden sich konkret „einen Tag in der Zukunft“ vor Augen führen. Manchmal stellt sich heraus, dass es genauso, wie es jetzt ist, richtig ist. Und manchmal ist es gut, weitere Schritte für die neue Vision zu planen. Das kostet auch etwas: Zeit, Geld, Anstrengung, z.B. für eine Fortbildung. Änderung hat auch einen Preis. Der muss aber leistbar sein und in die eigene Situation passen. Aber das Ziel kann lohnend sein: die Verwirklichung der eigenen Vision ist sehr befriedigend.

Noch eine letzte Frage: dieses Angebot erwartet man nicht in der Volkshochschule. Wieso machen Sie das?

IMG_5586Die Volkshochschulen haben schon immer auch Bildungsberatung angeboten, sei es für Sprachkurse, für das richtige Gesundheits- oder Bewegungsangebote, für berufliche Bildung. Daher wurden die Volkshochschulen vor 10 Jahren als Kooperationspartner für die Ausstellung des Bildungsschecks NRW durch die Landesregierung ins Boot geholt. Natürlich deswegen, weil es um die Vergabe von Geldern für den Bildungsscheck geht und die Volkshochschule eine kommunale Verwaltung ist, die keine Eigeninteressen hat.

Das Land NRW wollte aber noch einen Schritt weiter gehen: Nicht nur beraten, welche Fortbildung richtig ist, sondern auch, welche Arbeitsstelle für eine Person passend ist. Denn wer passend arbeitet, ist nicht so schnell von Arbeitslosigkeit bedroht. Da in den Volkshochschulen schon Mitarbeiter/innen umfangreiche Beratungskompetenzen hatten, wurde daraus zusätzlich die Kompetenz für die Beratung zur beruflichen Entwicklung . Es ist also eigentlich eine Fortführung des Bildungsscheckprogramms des Landes NRW . Die Beraterinnen sind alle zusätzlich geschult und gute Coaches. Ein Supervisionsprogramm dient zur Reflektion, wenn die Berater/innen mal nicht weiter wissen. Das Programm ist vom Land NRW mit EU Mitteln aufgelegt, d.h. 50% der Beratungskosten werden von der EU getragen, 50% vom Land. Für die Teilnehmenden ist die Beratung im Umfang von 9 Stunden kostenlos.

 

Das Angebot der VHS Bergisch Land finden Sie hier.

Frau Marjanne Meeuwsen ist telefonisch zu erreichen unter 02196/94704-16, Frau Martina Schankin unter 02196/94704-62.

VHS Bergisch Land, Rot-Kreuz-Str. 8a, 42929 Wermelskirchen
zentrale@vhs-bergisch-land.de, Tel. 02196 / 94704-0

Fotos:

VHS-Eingangstüre: © Forum Wermelskirchen

Ausschnitt aus VHS-Programm: © Forum Wermelskirchen

Martina Schankin (links) und Marjanne Meeuwsen: © Forum Wermelskirchen

Talentkompaß NRW: © Forum Wermelskirchen

Martina Schankin: © Forum Wermelskirchen

 Marjanne Meeuwsen: © Forum Wermelskirchen

Beitragsfoto: Außenansicht VHS Bergisch Land: © Forum Wermelskirchen

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