Die Macht des Wortes

Politik ist das Ringen um Mehrheiten, der Kampf um die Köpfe der Bürger, um ihre Zustimmung zu Absichten, Konzepten, Vorhaben, Plänen, Anträgen oder Gesetzen. In einer Demokratie lebt die Politik mithin von der Macht des Wortes, von der Überzeugungskraft der Wortführer.

Das ist in Wermelskirchen, auf kommunaler Ebene, nicht anders als im Land oder im Bund. Die Fraktionschefs sind die Meinungsführer. Ihr Platz ist die Rednertribüne, ihre Aufgabe ist es, die Zuhörer zu überzeugen, ihr Mittel ist die Rhetorik, die Kunst der Rede. Dabei ist Rhetorik eher Sprachmacht, Überzeugungskraft der Vernunft denn bloße Rede-Technik.

52_portraitGestern hat der CDU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Christian Klicki, wortreich den gemeinsamen Antrag von CDU und WNKUWG begründet und erläutert, mit dem der Verwaltung Obergrenzen (das ist später in Richtwerte geändert worden) zur Unterbringung von Flüchtlingen an jedem Standort aufgegeben werden sollen. Bei seinen Erläuterungen formulierte der junge CDU-Chef wörtlich: „Wir wollen den Menschen die Angst vor Überfremdung nehmen.“

Überfremdung. Keine gesprochenen Anführungszeichen, kein erläuterndes Wort von Christian Klicki zu diesem Begriff, zur politischen und moralischen Fragwürdigkeit dieses Wortes, kein Hinweis auf seine historische Belastung. Weiß Christian Klicki etwa nicht, daß „Überfremdung“ von Joseph Goebbels 1933 in die nationalsozialistische Rhetorik eingebracht worden ist? Weiß er nicht, daß „Überfremdung“ bereits 1993 von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Unwort des Jahres gekürt worden ist? Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, daß „ausschlaggebend für die Kritik an diesem auf den ersten Blick harmlos erscheinenden Wort die Feststellung“ war, „dass ‚Überfremdung‘ nach wie vor im Sinne einer rassistischen Uminterpretation verwendet wird […] ‚Überfremdung‘ wurde zur Stammtischparole, die auch die undifferenzierteste Fremdenfeindlichkeit ‚argumentativ‘ absichern soll.“ Ist Christian Klicki nicht bekannt, daß „Überfremdung“ aus dem altbekannten Zusammenhang der Nazidiktion zu einem neurechten und völkischen Kampfbegriff geworden ist, der nicht mehr nur die „Überfremdung“ durch das Judentum, sondern heute vor allem durch andere Minderheiten meint, vor allem Flüchtlinge aus muslimischen Ländern?

Wer in der ersten Reihe steht in der politischen Auseinandersetzung, ist zu besonderer Sorgfalt bei der Wortwahl verpflichtet. Ängste von Bürgern ernst zu nehmen, auch solche vor fremden Menschen, die vor Not, Unterdrückung oder Krieg zu uns fliehen, kann und darf nicht bedeuten, ein Vokabular zu verwenden, eine Sprache zu führen, die nicht aufklärt, rational ist, sondern Ressentiments schürt, Ängste fördert, Menschen abwertet, die Gesellschaft spaltet. Jugend darf nicht Schutzschild für politische Ahnungslosigkeit sein, dafür, unbedacht und unbekümmert den politischen Jargon der Nazis und der Neurechten zu übernehmen. Das sei uns allen Beispiel, wie schnell und leichtfertig selbst kluge und gebildete Mitbürger und Lokalpolitiker in sprachlich-gedankliche Fallen tappen.

Nachtrag: Ich weise jede Vorstellung zurück, Christian Klicki habe die fragwürdige Vokabel verwendet, um politische Aufmerksamkeit etwa am rechten Rand des politischen Spektrums zu erzielen. Eher gehe Ich davon aus, daß der CDU-Vorsitzende das Wort im Eifer des aktuellen politischen Gefechts in der Stadtratsdebatte verwendet hat, ohne auch an die erforderliche sprachliche Einordnung zu denken.

Kommentare (7) Schreibe einen Kommentar

    • Schawohl
    • 14.12.16, 0:06 Uhr

    Sehr geehrter Herr Horn,

    was halten Sie davon, mal ein paar Tage auszuspannen?
    Solch ein Gezeter für die Verwendung des Wortes “Überfremdung” abzuziehen, ist völlig unangebracht und daher peinlich, albern und lächerlich.
    Klicki will den Menschen die Angst vor Überfremdung nehmen.
    Können Sie sich nicht vorstellen, was er damit meint? Das kann sogar ich!
    Und ich habe nicht Frau Merkels Konterfei auf meinem Nachttisch!

    Viele Grüße
    Manfred Schawohl

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    • Christian Klicki
    • 14.12.16, 0:46 Uhr

    Sehr geehrter Herr Horn, ich habe den Eindruck Sie haben ein persönliches Problem mit mir. Bin ich Ihnen in der Vergangenheit irgendwie bzw. irgendwo auf die Füße getreten? Dauerhaft reißen Sie Wörter von mir aus dem Zusammenhang und machen daraus negative Artikel auf Ihrer Plattform. Meines Erachtens bieten ihre persönlichen Änimositäten keine Grundlage für seriösen Lokaljournalismus.

    Sie agieren mit einer äußert unredlichen Absicht. Sie wollen mich in die rechte Ecke drängen, weil Ihnen meine Positionen bzw. die Positionen meiner Partei nicht gefallen, deshalb versuchen Sie mich permanent in ein schlechtes Licht zu stellen. Im Gegensatz zu den Personen, mit denen Sie mich am liebsten in ein Raster einordnen würden, rede ich nicht von der Überfremdung als Status Quo in unserer Gesellschaft, auch rede ich nicht von der Überfremdung der Gesellschaft als ein Faktum, welches mittel- bis langfristig eintreten wird, sondern ich mache auf Sorgen und Ängste in der Bevölkerung aufmerksam. Die politische Landschaft in Deutschland zeigt, dass es diese Sorgen gibt. Als Politiker nehme ich diese Sorgen ernst und schweige nicht aufgrund von political correctness darüber, sondern nenne das Problem beim Namen. Niemals würden Sie politische Freunde von Ihnen kritisieren, aber Ihren politischen Gegner fahren Sie immer direkt an. Das ist unseriöse Berichterstattung

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    • Andreas Müßener
    • 14.12.16, 6:21 Uhr

    Natürlich habe ich den Antrag der CDU/WNKUWG unterstützt. Unkontrollierte Zuwanderung sollte man nicht mit unkontrollierter Integration beantworten auf kommunaler Ebene. Da ich täglich persönlich und in guter Freundschaft mit syrischen Flüchtlingen zu tun habe, kann ich aus erster Hand berichten ,wie schwierig eine Wohnsituation sein kann. Integration bedeutet auch Entfaltung. Für jemanden, der arbeiten gehen möchte, sich in der Liebe etwas aufbauen möchte oder einfach nur einen Rückzugsort sucht im Alltag, dem ist selbst eine 3er WG nach ein paar Monaten zu eng. Wie soll Integration aussehen in Massenunterkünften? Ein guter Antrag für Integration. Nazikeulen und erstickender Linkspopulismus spielen in dem Fall eine Rolle, die nichts mit dem wahren Leben zu tun hat. Schön, dass die menschliche Vernunft gesiegt hat. Danke Herr Klicki.

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    • Karl-Reiner Engels
    • 14.12.16, 20:36 Uhr

    Ich finde es begrüßenswert. dass hier ein verantwortungsvoller Umgang mit Begriffen angemahnt wird. Begrifflichkeiten der Neurechten zu verwenden, hilft nicht, wenn es darum geht, deren Einfluss zurück zu drängen und ihre falschen Erklärungsmuster zu verwerfen. Wer eine pluralistische liberale Gesellschaft will, kümmert sich eher um deren Fehler, insbesondere was die soziale Frage angeht.

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    • petra
    • 16.12.16, 8:57 Uhr

    Herr Horn, ich hoffe doch sehr, dass sie, z.B. die Wörter Autobahn, Volkswagen nicht in den Mund nehmen! Erst recht, dass sie keinen Volkswagen oder Mercedes fahren! Sie verstehen sicherlich, worauf ich hinaus will.

    Journalismus, kann man ihnen nicht unterstellen, ich nenne ihre Seite ein diffamierungs- denunzierungs- und Hetzseite, ebenso wie die Stasi Kahne Amadeu-Antonio-Stiftung.

    Wieso berichten sie nicht mal über die Pädo Vergangenheit der Grünen, die bis in die heutige Zeit reicht (Beck, Cohn-Bendit). Oder über den neuen schmutzigen Deal mit den Energieversorgern und Ihren Freikauf von der Entlagerung, inszeniert von den „Grünen“.

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    • stefan wiersbin
    • 16.12.16, 16:26 Uhr

    Die Wortwahl wird im Artikel hinter fragt und dies berechtigterweise. “Überfremdung” Eine Begrifflichkeit, die das NS-Regime schon benutzt hat, wie Wolfgang Horn, richtiger Weise aufzeigt. Die Folgen der Nutzung dieser Begrifflichkeit sollte jeder kennen. – Die Frage der Unterbringung der Menschen die zu uns geflohen sind, steht hierbei gar nicht im Vordergrund.
    Es stellt sich jedoch die Frage, wo die CDU/WNKUWG eine Gettoisierung von zugewiesenen Flüchtlingen in Wermelskirchen sieht? An welchem Standort von Unterkünften für Flüchtlinge gibt es eine Tendenz, dass Menschen, die zu uns geflohen sind, Zahlenmäßig die eingesessene Wohnbevölkerung übersteigt? – Worte, können vernichten. mit dem Wort “Überfremdung” vernichtet man bewusst Vertrauen. Vertrauen in die Stadtverwaltung und ihrem Handeln.
    Herr Müßner bringt in seinem Kommentar eine weitere Begrifflichkeit in die Diskussion ein, “unkontrollierte Integration”. Was ist damit gemeint? Ist Integration kontrollierbar? Ja, soweit es darum geht, ob die zugewanderten Menschen unser Rechts- und Wertesystem anerkennen und dieses als Grundlage unseres Zusammenlebens akzeptieren. Dies bedeutet aber eben nicht, dass diese Menschen deshalb ihr Wertesystem völlig über Bord werfen müssen.
    “Unkontrollierte Integration” ein Wort, dass ich mit Assimilation gleich setze. Dies kann und darf nicht Ziel der Integrations-Politik sein. Ziel von Integrations-Politik muss es sein, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in dem sich alle in unserem Land lebende Menschen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten einbringen. Sich mit ihren unterschiedlichen Lebensgeschichten einbringen zum Wohle unserer Gesellschaft. – Ja, dies wird unsere Gesellschaft verändern, aber dies war schon immer so und ist gut so!

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    • Schawohl
    • 17.12.16, 15:55 Uhr

    @Petra: Daumen hoch!

    @Stefan Wiersbin: Integration bedeutet nicht die Förderung von Parallelgesellschaften, die solange halbwegs friedlich und fremdversorgt nebeneinander existieren, bis die eine so stark ist, die andere zu übernehmen.

    Wer hier herkommt, hat unser Wertesystem zu akzeptieren und zu verinnerlichen. Das heißt nichts anderes als Assimilation. Und das bedeutete, dass u.U. das eigene mitgebrachte Wertesystem auch vollständig über Bord geworfen werden muss. Wenn ich an Sharia denke, Steinigungen, Handabhacken, Behandlung von Frauen, Töten von Homosexuellen usw. Was ist das anderes, als das akzeptierte Wertesystem in islamischen Ländern? Es gibt Länder mit Todesstrafe für den Besitz einer Bibel.

    Sie wollen doch nicht ernsthaft, dass solche Wertesysteme, die enormes Leid in vielen Ländern der Welt schaffen, hier in Deutschland tatsächlich in irgendeiner Form konserviert werden und durch weiteren Zuzug von Menschen mit solchen Wertvorstellung im Laufe der Zeit hier in unsere System Einzug erhalten, oder? Integrationspolitik ist auch nicht das “Schaffen” eines völlig neuen gesellschaftlichen “Klimas”, wo sich Einwanderer in unseren Sozialsystemen wohlfühlen können und Deutsche für sie arbeiten, sondern Menschen haben sich sehr unauffällig in die bestehende Gesellschaft einzufügen und darin ganz aktiv ihren Beitrag zu ihrer eigenen Versorgung und die ihrer Familien und dem Gemeinwesen zu leisten. Wer das nicht will, dem steht die Welt offen.

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