Jürgen Scherkenbeck, Sozialdemokrat, Professor an der Universität Wuppertal, Ratsmitglied und Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr (STUV), bezieht Stellung zum Beschluß vom vergangenen Montag, das Durchfahrtsverbot auf der Telegrafenstraße aufzuheben:
Von Jürgen Scherkenbeck
Einen besonderen Tiefpunkt praktizierter Kommunalpolitik konnte der geneigte Zuhörer diesen Montag im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr (STUV) erleben.
Bereits vor einiger Zeit wurde mehrheitlich, gegen die Stimmen der CDU im STUV beschlossen, den Maßnahmenkatalog des Planungsbüros Isaplan zur Verkehrsberuhigung der Telegrafenstraße umzusetzen. Dieser umfasste neben verkehrsberuhigenden Maßnahmen im Eingangsbereich der Telegrafenstraße eben auch eine dreimonatige Testphase, in der untersucht werden sollte, welchen Einfluss eine Ableitung des Verkehrs über die Straße „An der Feuerwache” auf die Gesamtverkehrsbelastung hat.
Seit Jahren ist es gute politische Praxis in Wermelskirchen, dass unterlegene Parteien sich einem Mehrheitsbeschluss fügen, gerade auch wenn dieser finanzielle Auswirkungen hat. Frei nach dem Motto „was stört mich mein politisches Verhalten von gestern” sah die CDU keinerlei Notwendigkeit mehr, sich an den einmal gefassten Beschluss zu halten und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Testphase noch nicht einmal richtig begonnen hat. Die CDU Vertreter lehnen nicht etwa eine endgültige Regelung ab, für die es auch Gegenargumente geben mag. Nein, es wird eine kurzfristige Studie abgelehnt! Experimente und Untersuchungen gelten nun aber seit dem Mittelalter in allen natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen als einzig zulässige Methode, Fakten zu schaffen. Nicht so dagegen in Wermelskirchen. Die örtliche CDU verweigert sich einem Erkenntnisgewinn mit postfaktischen Aussagen bester Trump’scher Machart. Passend zu dieser politischen Einstellung sah sich dann ein Vertreter des Bürgerforums, der sich wenige Minuten zuvor noch gegen den Abbruch des Versuchs zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen hatte, plötzlich ebenfalls genötigt, in bester Wendehalsmanier eine politische Kehrtwende von einhundertachtzig Grad zu vollziehen.
Wenn es sich denn nur um eine groteske Kleinstadtposse handelte und sich Wermelskirchen nur einmal mehr der Lächerlichkeit in der lokalen Presse und im regionalen TV (siehe Rathausfassade, gegenläufiger Fahrradverkehr in der Telegrafenstraße) preisgäbe! Aber nein, die bisherigen Maßnahmen einschließlich des Gutachtens der Firma Isaplan haben viel Geld gekostet. Geld, das die Stadt ohnehin nicht hat. Der CDU in Wermelskirchen sei dringend empfohlen, sich wieder auf eine rationale, faktenbasierende Politik zurück zu besinnen, wie sie in Wermelskirchen seit Jahrzehnten trotz aller Differenzen zwischen den Parteien gute Praxis war.
Populismus jedweder politischen Farbe bereitet nur selbsternannten „Wutbürgern” den Boden, die wie schon geschehen, sich anmaßen, in aller Öffentlichkeit zum Gesetzesbruch aufzurufen. Das jedenfalls ist nicht mein Wermelskirchen.