“Time stand still. Sag mal, ist das nicht grammatisch falsch?” Die Frage meines Freundes Lothar, nachdem ich ihn auf die Lesung von Alf Lietza aus seinem neuen Buch im Wermelskirchener Film-Eck hingewiesen hatte, aus “Time stand still”.
Gestern Abend, Film-Eck Wermelskirchen. Lesung? Ja. Aber auch nein und mehr. Launiges Gespräch? Ja. Aber mehr. Film? Ja, Auch. Fotoabend? Irgendwie schon. Kabarett? Nicht ganz. Aber Kabarettistisches auf jeden Fall. Jedenfalls ein rundum unterhaltsamer und vergnüglicher Abend für die knapp 50 Besucher, die sich auf das launige à deux zwischen den beiden langjährigen Freunden Alf Lietza und Armin Himmelrath eingelassen haben. Vergnüglich und lecker, denn in der Pause reichte Gaby van Wahden, Buchhändlerin und Veranstalterin der ungewöhnlichen Lesung, Bauchlektüre, kleine Häppchen, Küchelchen mit Lachs und anderem Schmackhaftem.
Armin Himmelrath, Journalist, Bildungsexperte und Buchautor, und Alf Lietza, früher Lehrer, waren einst die Neue Deutsche Betroffenheit, Kabarett aus Wermelskirchen. Ein eingespieltes Team zweier Rampensäue also. Das erklärt, daß das Event von allem etwas war und nicht nur alles von einem. Es war Lesung, es war Gespräch, es war Jokus, es war Film und es war Fotoabend. Eine analoge Multimedia-Show. Reiseberichte wurden gelesen, Privates erzählt, über die Eltern von Alf Lietza, über Freunde, Pläne ausgebreitet, wohin beispielsweise der Rollstuhlfahrer Lietza womöglich seine nächste Reise unternehmen wird. Südafrika ist im Gespräch.
Alf Lietza, Weltenbummler, Reiselustmensch, hat das Fernweh von seinen Eltern in die Wiege gelegt bekommen. Sein Vater hat Lietza später auf einigen Reisen begleitet. Auch in die USA, wo er, 68jährig, seinen Sohn beim Besuch eines Konzerts von dessen Lieblingsband, Rush, begleiten mußte. Kaum einen Kontinent hat Alf Lietza ausgelassen, solange er sich noch ohne Hilfsmittel oder Rollstuhl hat fortbewegen können. Wir sehen Fotoserien des Autors aus Rumänien, Peru, Neuseeland, Kanada, Cook Islands. Ägypten, Namibia, Israel, Chile, USA. Schottland, Scheveningen, Japan oder Mexiko. Thomas Ehl, Filmemacher aus Wermelskirchen, hat Lietzasche Fotos in kleinen Filmen arrangiert und mit regional anmutender Musik versehen, so daß man sich vom Gelesenen und Erzählten auch ein Bild machen konnte. Und auch bei der Gestaltung der Fotos hat der Kabarettist Alf Lietza mitgewirkt. Wenn er etwa die große Kröte fotografiert, die in? Ja, wo eigentlich? Egal, die also irgendwo auf der Welt in einer Toilette rumschwimmt. Oder wenn in Schottland das Hinweisschild die Entfernung zu “Hirn” mit drei Meilen angibt. Touristisches wird gnadenlos vermengt mit Skurrilem, mit Absonderlichem und Privatem. Ein schöner Mix. Leicht, vergnüglich und doch spannend. Die Highlandgames in Braemar, für die Lietza und Freunde eigens nach Schottland gefahren waren, wurden abgesagt, weil wenige Tage zuvor Prinzessin Diana in Paris bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Noch heute kann man noch den Ärger in der Stimme hören, daß die so ersehnte Veranstaltung “wegen einer Adligen und ihrer Marotten” ausgefallen ist.
“Ich bin kein Autor. Es sind nur Reiseberichte.” Ein schöner Satz. Nur stimmt er nicht. Alf Lietza beschreibt journalistisch präzise seine Reisen und einzelne Etappen. Und er gibt sich auch preis, ist mitunter sehr subjektiv und oft radikal spaßig. Wenn er etwa beschreibt, wie er, irgendwo in Südamerika, seinem dräuenden Darm Linderung verschafft und ihm, Lietza, dabei, hockend, seine Beine einschlafen.
Nein, man kann keinen Artikel schreiben, der dem ganzen Unterfangen vom heutigen Abend gerecht würde. Ich kann es jedenfalls nicht. Ich habe mich aber prima amüsiert. Und deshalb danke ich allen Beteiligten, Alf Lietza, Armin Himmelrath, Gaby van Wahden, Thomas Ehl, und nicht zuletzt Christel und Klaus Schiffler vom Film-Eck. Ach ja. Der Titel des Buches ist grammatisch korrekt. Es handelt sich um einen Imperativ, eine Aufforderung. Und um einen Titel von Lietzas Lieblingsband, Rush.
Rush haben keinen Artikel. Oder verstehe ich den Gag nur nicht?