Sprache und Politik im kommunalen Raum

Ein Kommentar von Wolfgang Horn

Die Sprache, schrieben einst Karl Marx und Friedrich Engels in ihrem Werk „Die Deutsche Ideologie“, sei die unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens. Abschätzige Formulierungen lassen mithin auf abschätzige Ideen, Urteile und Einschätzungen schließen. Mit einem verlotterten Sprachgebrauch geht auch eine verlotterte Ideenproduktion einher. Mit verlottert meine ich ungenau, unscharf, undurchdacht, bequem, simpel, unschön und unwahr. Wer Medien etwa pauschal als Lügenpresse diffamiert, hat im besten Fall einfach keine Ahnung von der immer noch vorhandenen Vielfalt von Presse und Rundfunk, von digitalen Medien, Büchern, Zeitschriften, von Flyern, Broschüren, Texten, Multi-Media. Im schlechtesten Fall, bei jenen, die sich auskennen, ist die Verwendung eines Begriffs wie Lügenpresse eine abschätzige Kampfsprache, die verächtlich machen soll, den Bereich des noch Sagbaren verbreitern und ein weiteres Ressentiment schüren. Wenn beispielsweise das beisitzende Vorstandsmitglied einer politischen Partei in Wermelskirchen der CDU rät, sie solle „diese Frau (gemeint ist die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel, W.H.) ernsthaft auf ihren Geisteszustand überprüfen“, dann sind eigentlich alle Grenzen überschritten. Die der angemessenen Sprachebene, die des respektvollen und bürgerlichen Umgangs auch mit jenen, die anderer Auffassung sein mögen, die des Sagbaren in der politischen Auseinandersetzung. Hier geht es nicht mehr darum, andere Menschen von der Richtigkeit der eigenen Auffassung überzeugen zu wollen. Einzig erkennbare Absicht ist die Herabwürdigung, die Beleidigung, die Schmähung. „Vielleicht“, so der Beisitzer weiter, sollte man „Merkel wegen ‚Verrats bestrafen’“, da sie versuche, “unsere Gesellschaft für fremde Interessen zu schädigen”. Der gleiche Beisitzer bezeichnet EU-Kommissare als „Brüsseler Suffköppe“, alle Brüsseler Politiker als „Versager“. Wer so schreibt, der denkt auch so und wäre vor noch nicht allzu langer Zeit sehr schnell aus sämtlichen Funktionen einer politischen Partei entfernt worden. Weil das Asoziale noch als asozial galt, weil Politik, von einzelnen Verirrungen abgesehen, auf fast allen Seiten unappetitlicher und roher Sprache noch deutliche Absagen erteilte. Wer einen Menschen – und sei es auch ein politischer Gegner – als „Type“ bezeichnet, meint es ebenfalls nicht gut mit diesem Menschen. Er wertet ihn ab, beraubt ihn seines Humanums. Wer einen anderen Menschen als Faschisten bezeichnet, sollte sehr genau wissen, was Faschismus ist und wer und was diesem Begriff noch keineswegs entspricht. Wer einem Mitglied der Bundesregierung unterstellt, seine Pillen nicht genommen zu haben oder, anderenfalls, urteilt, es handele sich wohl um die übliche Menschenverachtung, ist, in moralisch-politisch-sprachlicher Hinsicht keinen Deut besser als der eben erwähnte Beisitzer. Wie will jemand Verständnis finden bei Andersdenkenden, wenn er deren Ideen und politische Vorstellungen nur noch als „schäbig“ denunziert, als „dreckig“, „asozial“, wenn konkurrierende Parteien als “kriminell” denunziert werden? Alle diese Beispiele kann man nachlesen. Sie stammen von Wermelskirchener Politikern. Leider. Aber das sollte, das darf keine Schule machen. Wir alle sind gefordert, als Leser, als Interessierte, als wache Mitbürger, als politische und kultivierte Menschen. Eine Sprache, die entmenschlicht, die herabwürdigt und beleidigt, eine solche Sprache kennzeichnet den Urheber, nur den Urheber. Eine solche Sprache sagt etwas aus über eine Gedankenwelt, in der es nicht um Überzeugung geht, um Kommunikation, Verständigung, sondern um Überwältigung, um Macht, um Ränke.

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

  1. Ein sehr guter Beitrag!
    Hoffentlich lesen ihn u.a. auch die Mitglieder der Bundesregierung, die Bürger mit Begriffen wie Pack, Faschisten, Rechtsradikale, Rechtsextreme, Nazis, Asoziale etc. und vorzugsweise Kombinationen vorgenannter Begriffe titulieren, gewaltbereite Autonome und Antifa aber als wertvollen Bestandteil eine wachsamen und wehrhaften Zivilgesellschaft bezeichnen.

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  2. Mir reichte es, wenn der eine oder andere lokale Facebookadministrator in den von ihm betreuten Gruppen und Seiten von Facebook stärker auf die Einhaltung eines sprachlichen Mindestniveaus und grundlegender Regeln des Anstandes und bürgerlicher Umgangsformen achtete. Wie sagt der Volksmund so schön? Ein jeder kehre vor seiner eigenen Türe. Der Verweis auf Mitglieder der Bundesregierung scheint mir da doch sehr weit hergeholt und vielleicht nicht mehr als ein dürftiges Ablenkungsmanöver zu sein. Zudem: der Fingerzeig auf andere verrät bisweilen mehr über die eigene Praxis, als einem lieb sein kann.

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