DIW: „2,4 Milliarden Euro sind wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), kommentiert die Einigung der Bundesregierung im Streit um die Kindergrundsicherung:
Die verhandelte Lösung zur Kindergrundsicherung ist ein enttäuschender Kompromiss. Die zusätzlichen 2,4 Milliarden Euro sind wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, der kaum substanzielle Linderung der Kinderarmut in Deutschland bringt. Die Bündelung verschiedener Leistungen ist ein gutes und wichtiges Element der Kindergrundsicherung, weil sie die Inanspruchnahme erleichtern wird. Nur 35 Prozent der Berechtigten nehmen bisher die Leistungen des Kinderzuschlags in Anspruch. Dennoch befürchte ich, dass der größte Teil der zusätzlichen Gelder für die Kindergrundsicherung lediglich zu einer Verbesserung der Inanspruchnahme führen wird und die Erhöhung der Leistungen viel zu gering ist. Die Studie der DIW econ zur Kindergrundsicherung zeigt, dass eine moderate Erhöhung von 100 Euro pro Kind bis zu 450.000 Kinder und Jugendliche aus der Armut bringen könnte. Die Kindergrundsicherung wäre also ein höchst effektives Instrument, wenn die Bundesregierung den Mut hätte, es konsequent zu nutzen.Der Kompromiss zur Kindergrundsicherung ist eine verpasste Chance, sowohl die Kinderarmut in Deutschland erheblich zu reduzieren als auch enorme Folgekosten für Staat und Wirtschaft zu verhindern.
Dass die Bundesregierung lieber 6,5 Milliarden Euro an Steuererleichterungen für Unternehmen gewähren möchte, aber nur 2,4 Milliarden Euro zur Bekämpfung von Kinderarmut ausgibt, zeigt deutlich, wo die Prioritäten der Bundesregierung liegen. Dieser Kurs der Bundesregierung wird die soziale Polarisierung in Deutschland weiter verschärfen und damit auch die Akzeptanz für wichtige Reformen weiter verringern. Dringende Reformen, etwa im Klimaschutz, werden dadurch erschwert.
Beitragsfoto © Pixabay