Zu wenige Wohnungen für Geringverdiener

In “Meine Südstadt“, dem Onlineportal für den Kölner Süden, hat die Kölner Journalistin Judith Levold heute ein Interview mit Prof. Markus Ottersbach veröffentlicht. Titel des Beitrags: Zu wenige Wohnungen für Geringverdiener. Wir haben hier vor wenigen Tagen von der Studie berichtet, die unter Federführung von Ottersbach erstellt worden war. Mit freundlicher Genehmigung von Judith Levold und Meine Südstadt veröffentlichen wir hier das Interview mit Prof. Markus Ottersbach. 

Zu wenige Wohnungen für Geringverdiener

In seiner Studie zur „Unterbringung von Flüchtlingen in nordrhein-westfälischen Kommunen“, einer Auftragsarbeit für das Düsseldorfer Forschungsinstitut zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung (FGW),  hat Professor Markus Ottersbach von der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften der TH Köln am Ubierring die Zustände in Notunterkünften am Beispiel Köln untersucht.

Fazit: Aktuell sind sie nicht hinnehmbar und verstoßen gegen die Menschenwürde und gegen die 2004 vom Rat der Stadt beschlossenen Leitlinien zur Unterbringung von Flüchtlingen. Von „vorbeugender Sozialpolitik“ kann im Zusammenhang mit der Behandlung von nach Köln Geflüchteten also keine Rede sein. Im Gegenteil.

Ich besuche Professor Ottersbach in seinem Büro, er erläutert die Methodik dieser Kurzstudie:  man sei quantitativ und qualitativ vorgegangen. Zunächst seien die Leiterinnen und Leiter von gut 80 Unterkünften angeschrieben worden. Nur ein Viertel davon habe geantwortet und sich beteiligt. Die Angaben seien aber dennoch sehr aussagekräftig gewesen. Allgemeine Daten zur Situation von Flüchtlingen insgesamt wie etwa deren Gesamtzahl in Deutschland, NRW und Köln, die Anteile verschiedener Altersgruppen daran sowie die Haupt-Herkunftsländer habe man dann im Hinblick auf die Belegung der Kölner Unterkünfte untersucht und Interviews mit Experten geführt. Gut 12.ooo geflüchtete Menschen leben derzeit in Köln, Stand Ende 2016.

 

Was für Experten haben Sie innerhalb des halben Jahres für die Studie befragt?
Wir haben mit der Sachgebietsleitung des Sozialen Dienstes beim Kölner Wohnungsamt gesprochen, mit der stellvertretenden Leitung des Jugendamts, mit Fachbereichsleitern der Träger von Unterkünften – in Köln ja in vielen Einrichtungen das Deutesche Rote Kreuz – , mit Mitarbeitern vom Runden Tisch für Flüchtlingsfragen und so weiter.

Und alle sind sich einig, dass da was im Argen liegt?
Ja, natürlich, und natürlich wollen auch alle die Turnhallen-Unterbringung schneller abschaffen und das Defizit mindern: Die Stadt hat ja mit ihren Ausgaben für Flüchtlingsunterbringung in zwei Jahren ein Defizit von 200 Millionen Euro gemacht.

Also alle wollen im Grunde, dass auch Flüchtlinge in ganz normalen Wohnungen wohnen können?
Ja, das wäre ideal, wenn sie wirklich nur provisorisch in Sammelunterkünften wären und schnell normale Wohnungen bekämen. Aber es gibt eben viel zu wenig Wohnraum für Geringverdienende, von denen die Flüchtlinge ja nur eine Gruppe darstellen.

Neben Studierenden, altersarmen SeniorInnen, Hartz IV-EmpfängerInnen, Alleinerziehenden und zunehmend auch ganz gewöhnlichen Familien mit zwei Kindern und zwei Einkommen.
Richtig. Das ist Folge einer verfehlten Wohnungsbaupolitik, und diese künstliche Verengung des Wohnungsmarkts im unteren Preissegment fördert die Konkurrenz all dieser Gruppen um die wenigen bezahlbaren Wohnungen. Es fördert im Grunde auch den Rechtspopulismus. Und in der Diskussion wird oft zu sehr vergessen, dass es sich um Menschen handelt, die ein Recht auf menschenwürdige Unterbringung haben, ein Recht, das theoretisch einklagbar ist.

Was ist zu tun?
Es gibt ja Bemühungen aus der Politik, etwa bei Neubauvorhaben 30 Prozent sozialen Wohnungsbau zu garantieren, aber es muss noch mehr sein und auch schneller passieren. Es wird auch zu wenig auf Durchmischung geachtet. Es geht nicht nur darum, dass nur Arm und Reich gemischt wird. Das bildet zwar schon viel ab, aber es müssen alle Aspekte der Diversität in der Stadtentwicklung berücksichtigt werden. Die Stadt müsste die Durchmischung selbst umsetzen und auch Initiativen wie das Auszugsmanagement stärker fördern (ein seit 2011 aufgelegtes Kooperationsprojekt zwischen Stadt, Flüchtlingsrat und Caritas, das Flüchtlinge in private Wohnungen vermittelt – bislang konnte das  für etwa 1500 Personen gelingen, Anm. der Redaktion). Außerdem müsste die Stadt den Personalschlüssel in der Sozialarbeit mit Flüchtlingen deutlich verbessern – ein Sozialarbeiter für etwa 150 Flüchtlinge ist einfach zu wenig.

Erzählen die “Experten” also Leiter von Unterkünften zum Beispiel auch etwas über die Flüchtlinge selbst, darüber wie es ihnen in ihrer Lage so geht?

Ja, sie berichten davon, dass sie beobachten, wie viele Flüchtlinge den Mut und die Motivation verlieren unter den Umständen, unter denen sie oft viel zu lange untergebracht sind.

Herr Ottersbach, Vielen Dank für das Gespräch.

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