Remscheider Gestapo wusste vom Model-Befehl

Den Beitrag entnehmen wir dem Waterbölles, dem kommunalpolitischen Forum für Remscheid:

Der Befreiung vom Nationalsozialismus im Jahre 1945 gingen vielerorts noch Massenexekutionen von Regime-Gegnern und ausländischen Zwangsarbeitern voraus. Auch die Gestapo Düsseldorf war in den letzten Monaten ihres Bestehens an derartigen „Endphasenverbrechen“ beteiligt: Wie bei vielen anderen Gestapostellen so kam es auch in ihrem Bereich zu einer Steigerung der Brutalität in der Verfolgung vor allem von flüchtigen Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern und schließlich auch zur Erschießung von Gefängnis- und Zuchthausinsassen kurz vor dem Eintreffen der alliierten Truppen. So erschossen am 13. April 1945 Angehörige der Gestapoaußenstelle Wuppertal und der Kripo Wuppertal sowie der Schutzpolizei in der Wenzelnbergschlucht bei Solingen 71 Gefangene, von denen 60 aus dem Zuchthaus Lüttringhausen (darunter acht politische Gefangene) und elf aus Wuppertaler Gefängnissen stammten.

Der Wuppertaler Historiker Stephan Stracke hat nicht nur diese Mordaktion eingehend untersucht, sondern auch biographische Skizzen der allermeisten der Wenzelnberg-Opfer veröffentlicht. Obwohl es bis jetzt keinerlei Hinweise gibt, dass Mitarbeiter der Gestapo-Nebenstelle Remscheid direkt oder indirekt an dem Massenmord beteiligt waren, scheint die geplante Mordaktion dort aber bekannt gewesen zu sein, wie ein Dokument, das sich im Landesarchiv NRW in Duisburg befindet, belegt.

Georg Z., geboren am 18.6.1890 in Niedermarsberg, gestorben am 15.11.1960 in Remscheid-Lennep, der die Gestapo-Nebenstelle Remscheid als Dienstältester mindestens bis Ende 1944 geleitet hatte, und nach Kriegsende in einem Internierungslager bei Recklinghausen inhaftiert war, erklärte am 30. März 1950 anlässlich einer „verantwortlichen Vernehmung“: „Erwähnen möchte ich noch, dass im Frühjahr 1945, als die Dienststelle bereits von dem Krim. Inspektor Brosig (der vorher bei der Gestapo in Düsseldorf tätig gewesen war; A. B.) geführt wurde, ich durch Zufall einen verschlossenen Brief an die Dienststelle geöffnet habe. In diesem Brief war eine Abschrift von einer Verfügung des Generalfeldmarschalls Model, wonach kriminelle und politische Häftlinge, die für die Sicherheit des Staates eine Gefahr bildeten zu beseitigen seien. Wie ich später erfahren habe, sind dann etwa 60 Häftlinge aus dem Zuchthaus Lüttringhausen durch Stapobeamte aus Wuppertal abgeholt und in der Heide bei Ohligs erschossen worden.“

37 Jahre nach dem Massenmord in der Wenzelnbergschlucht, am 22. Oktober 1982, wurde von der damaligen Justizministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Inge Donnep, an der Justizvollzugsanstalt in Remscheid-Lüttringhausen, Masurenstraße 28, eine Gedenktafel enthüllt, die an die in den Jahren 1933 bis 1945 dort zu Unrecht inhaftierten sowie an die in der Wenzelnbergschlucht bei Langenfeld getöteten Menschen erinnern soll. An einige dieser dort ermordeten Gefangenen aus dem Zuchthaus Lüttringhausen erinnern mittlerweile auch „Stolpersteine gegen das Vergessen“, so zum Beispiel an: Johann Galvelat (Galwelat), Otto Gaudig, Ferdinand Jahny und Friedrich (Fritz) Kamleiter.

Literatur und Quellen (Auswahl):

  • Berschel, Holger: Bürokratie und Terror. Das Judenreferat der Gestapo Düsseldorf 1935 – 1945, Essen 2001
  • Funke, Hans: Zeugen der Remscheider Geschichte. Stadtbilder in Stein und Bronze, Remscheid 1991
  • Historisches Zentrum Remscheid: verschiedene Bestände
  • Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland, Duisburg: Bestand NW 34 – 15, Bl. 208 und 208 R.
  • Röhrig, Marko: „Da liegt auch der Paul!“ Im Gedenken an meinen Urgroßonkel Paul Lisziun, Mordopfer in der Wenzelnberg-Schlucht am 13. April 1945, in: Armin Breidenbach und Jörg Becker (Hrsg.): Remscheid ‘45, Remscheid 2020, S. 147 – 153
  • Stracke, Stephan: Die Morde in der Wenzelnbergschlucht, in: Lieselotte Bhatia und Stephan Stracke: In letzter Minute. Nationalsozialistische Endphaseverbrechen im Bergischen Land, Bremen und Wuppertal 2015, S. 67 – 261
  • ders.: Das Massaker am Wenzelnberg, in: Armin Breidenbach und Jörg Becker (Hrsg.): Remscheid ‘45, Remscheid 2020, S. 189 – 215.

Beitragsfoto: Exhumierung der Leichen in der Wenzelnbergschlucht von Armin Breidenbach

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