PERSPEKTIVWECHSEL

Ein Wort zum Montag am Weihnachtsfest 2022 

VON CORNELIA SENG

Sie schaut mir direkt in die Augen. Der Zeigefinger ihrer kräftigen Hand deutet auf das Kind in der Krippe. Als wollte sie mir sagen: “Hast Du das schon gesehen? Uns ist ein Kind geboren!”

Maria hebt vorsichtig das Tuch. Wie einen kostbaren Schatz präsentiert sie dem Volk das Neugeborene. Ist sie das, die “große Freude, die allem V o l k widerfahren wird”, wie die Engel es angekündigt haben? 

So hat der alte Maler, Jan Cossiers, es wohl gemeint. Das Bild hängt in der Gemäldegalerie “Alte Meister” im Schloss Wilhelmshöhe. Vor allem Landgraf Wilhelm VIII von Hessen war ein großer Sammler von flämischer und holländischer Malerei. Ihm muss das Bild auch gefallen haben. 

Viele Menschen drängen sich auf dem Bild. Als seien wir auf dem Marktplatz von Antwerpen, wo der Maler gelebt hat: “Alles Volk” ist zusammengelaufen. So sahen die Menschen wohl aus damals um 1628. Es ist nicht die feine Gesellschaft, die sich hier trifft. Normale Menschen eben. Neugierig bestaunen sie das Kind. Männer wie Frauen, Alte wie Junge. “U n s ist ein Kind geboren?”

Meint die Magd mit ihrem auffordernden Blick, ich solle mich zu ihnen stellen? Zu allem Volk? Platz wäre vermutlich noch für mich. Soll ich mit ihnen gemeinsam das Kind bestaunen? Das wäre ein Wechsel! Ich könnte diese dunkle, leidende Welt vergessen und mich zusammen mit den anderen an dem Kind erfreuen. Ich könnte die Perspektive wechseln! Von einer Betrachterin des Gemäldes hin zu einer, die teilhat. Und staunend anbetet. Vom “fröhlichen Wechsel” hat Martin Luther oft gesprochen. 

Gott wechselt die Seite und wird Mensch. Damit wir die Perspektive wechseln können und die Welt mit Gottes Augen sehen. Mit Jesu Augen. Barmherzig und liebevoll. Gott wechselt die Seite, damit wir die Perspektive wechseln können: Die Perspektive auf diese Welt, auf die Menschen und auf uns selber. Mit a n d e r e n Augen sehen können! Das mag ein Wechsel sein!

“Denn also hat Gott die Welt geliebt, 
dass er seinen eingeborenen Sohn gab, 
auf dass alle, die an ihn glauben, 
nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.”
Joh 3,16

Ich wünsche allen einen fröhlichen Perspektivwechsel! Frohe Weihnachten!

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