“Lassen Sie uns unsere Arbeit machen.”

Auf der gestrigen Ratssitzung ergriff Jürgen Scholz, Pressesprecher der Stadt und Hauptamtsleiter, als Verantwortlicher der Projektgruppe “Flüchtlinge” der Verwaltung das Wort in der Debatte um Obergrenzen oder Richtwerte bei der Flüchtlingsunterbringung. Eine Rede, um den Standpunkt derer deutlich zu machen, die sich Tag für Tag um die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen mühen. Ein Plädoyer der und für die Verwaltung. Ein Plädoyer aber auch für eine rationale Debatte in der Stadt, die Ressentiments entgegentritt, die eint, statt spaltet, die Ängste nimmt, statt sie zu schüren. Eine Rede der Verantwortung. 

Anmerkungen zur Bewältigung einer großen  und gemeinsamen Aufgabe: Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen in Wermelskirchen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren des Rates der Stadt Wermelskirchen,

noch vor Jahresfrist war das Thema „Flüchtlinge“ das alles beherrschende Thema in allen Medien, in jeder Talkshow, in den Diskussionen in den Parteien, der Bevölkerung, an Stammtischen, in den Ausschüssen, auch im Rat der Stadt.

„Wir schaffen das“ – selten hat eine Aussage unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel so polarisiert.

Diese Aussage musste herhalten, um darauf Anfeindungen und Populismus aufzubauen.

Diese Aussage musste herhalten, um das Handeln der Regierung als „Versagen“ zu titulieren.

Diese Aussage musste herhalten, um alte Gräben wieder aufzubrechen.

Diese Aussage musste herhalten, um vorhandene Feindbilder scharfzuzeichnen.

Diese Aussage musste herhalten bei dem Versuch, die Bevölkerung und die Politik zu spalten.

Diese Aussage musste herhalten als Begründung für Populismus, für Hass, für Wut, für Angst, für körperliche Gewalt und für Zerstörungen.

Dieser Satz musste viel aushalten.

War er deshalb falsch?

Ich maße mir nicht an, das zu beurteilen. Das überlasse ich dem scheidenden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Mr. Barack Obama.

Zum Ende des US-Flüchtlingsgipfels „Leaders Summit on Refugees“ Ende September in New York bedankte sich US-Präsident Barack Obama ausdrücklich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel für den Beitrag Deutschlands in der Flüchtlingspolitik. Er sagte, und das ist für mich die Bewertung des zuvor erwähnten Satzes:

„Manchmal sind politische Entscheidungen zwar schwer, aber dennoch richtig.“

Gerne möchte ich diese Gewissheit auf Wermelskirchen übertragen. Denn hier sind noch Entscheidungen zu treffen. Zunächst erfolgt eine Selbstkritik der Verwaltung:

In dem Irrglauben, die bis zum Sommer/ Herbst dieses Jahres bestehenden Erstaufnahmeeinrichtungen würden uns vor der weiteren Zuweisung von Flüchtlingen schützen, ist viel zu wenig getan worden, um uns auf die weiteren Zuweisungen vorzubereiten.

Wohl auch aus diesem Grund hat mir Herr Bürgermeister Rainer Bleek im Sommer diesen Jahres die Leitung der Projektgruppe „Flüchtlinge“ übertragen. Für die anstehenden Sitzungen des Ältestenrates und des Haupt- und Finanzausschusses im Januar 2017 werden wir Ihnen Projekte zur Umsetzung vorschlagen, die dringend erforderlich sind, um die uns zugewiesenen Menschen würdig unterzubringen.

Das ist die gemeinsame Aufgabe von Rat und Verwaltung.

Auf die Wichtigkeit der vor uns liegenden Aufgabe möchte ich hiermit noch einmal ausdrücklich hinweisen. In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir einige Anmerkungen:

  1. Bitte beachten Sie den unabdingbaren Grundsatz: Unterbringung geht vor Integration! Sie können niemanden integrieren, der nicht menschenwürdig untergebracht ist. Die teilweise Festlegung einer Obergrenze der Standorte auf maximal 20! Personen macht uns die Bewältigung der Aufgabe schwer bis nahezu unmöglich. Falls es zu einer solchen Festlegung kommt, kann eine adäquate Unterbringung der Flüchtlinge – bereits ab dem 2. Halbjahr 2017 – durch die Verwaltung voraussichtlich nicht mehr gewährleitet werden.
  2. An zweiter Stelle steht die Aufgabe der Integration.
  1. Diese beiden Schritte sind in der genannten Reihenfolge zu gehen. Und jetzt hier meine erste Bitte, nein, mein Appell: Bitte nutzen Sie nicht das richtige und schlüssige Argument der Integration zur Verhinderung von Unterbringung! Argumentieren Sie bitte nicht gegen den ersten Schritt unter Verweis auf den Zweiten!

Ich bin dankbar für Teile des nun vorliegenden Antrages der Fraktionen von CDU und WNK UWG FREIE WÄHLER. Denn dort heißt es in der Begründung, dass die Unterbringung der Flüchtlinge im Konsens Hand in Hand mit der Verwaltung gemeistert werden sollte. Damit sprechen Sie mir aus der Seele. Genau das ist das Bestreben der Verwaltung und ich bin froh, dass Sie sich so eindeutig dazu bekennen.

Lassen Sie uns gemeinsam in ruhiger, gerne kontroverser Diskussion, die erforderlichen und unaufschiebbaren Entscheidungen zur Unterbringung von Flüchtlingen treffen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe, die nicht dadurch erledigt werden kann, in dem die eine Seite (nämlich die Politik), immer weitere Einschränkungen und Restriktionen beschließt, die es der anderen Seite (nämlich der Verwaltung), in der Summe schwierig bis unmöglich macht, die gemeinsame Aufgabe der 1. Unterbringung und 2. Integration der Flüchtlinge zu lösen.

Meine zweite Bitte: Lassen Sie uns unsere Arbeit machen. Versuchen Sie bitte nicht, uns im Detail vorschreiben zu wollen, wie wir diese erledigen. Alle uns von Ihnen mit der besten Absicht vorgeschlagenen Lösungsmodelle zur Unterbringung von Flüchtlingen haben wir schon hunderte Male gehört bzw. liegen uns unzählige Angebote hierzu vor. Trotz anderslautender Annahmen: Das Vergaberecht ist für Fragen der Unterbringung von Flüchtlingen nicht außer Kraft gesetzt worden! Es gibt angebliche Erleichterungen, die aber aus meiner Sicht nicht zum Ergebnis haben, dass uns Vergaben wesentlich erleichtert worden wären.

Das sind meine Bitten an Sie alle, die Sie gemeinsam mit der Verwaltung eine große Verantwortung tragen.

Vielen Dank.

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

    • Petra
    • 13.12.16, 12:44 Uhr

    Das scheinen dann Teile der Angesprochenen nicht verstanden zu haben – wie so einige andere Texte auch nicht. Wer halt selbst gern hauptsächlich zu verbalen Keulen greift, verliert vielleicht das Gespür für leisere Töne. Anders kann ich mir das Beharren auf und das Beschließen des Antrags nicht erklären.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.