Ein Wort zum Montag, dem 27. Dezember 2021
VON CORNELIA SENG
Pünktlich zum Fest haben wir wieder die alte Weihnachtskrippe aufgestellt. Die Krippenfiguren stammen von Oma Susanne. In diesem Jahr wäre sie Ur-Ur-Großmutter geworden. So alt ist die Krippe – gewiss über 100 Jahre. Die Krippenfiguren wurden sehr pfleglich behandelt. Nur eines der Schafe ist verletzt, ihm fehlt ein Unterschenkel. Und weil es auf drei Beinen nicht stehen kann, wird es immer an den Hirten angelehnt. Dann sieht man gar nicht, dass es verletzt ist.
Verletzt. – Ich habe zwar noch alle Beine, aber in Zeiten dieser Pandemie komme ich mir auch irgendwie verletzt, „amputiert“ vor. Mir fehlen die sozialen Kontakte, spontane Besuche, die volle Kirche zum Christfest und das gemeinsame unbeschwerte Singen „O du fröhliche, o du selige gnadenbringende Weihnachtszeit“.
Wir haben Heiligabend gefeiert. Weihnachten ist am Verklingen. Wie geht es jetzt weiter?
An dem ersten Weihnachtsfest in Bethlehem ist alles anders geworden. Zumindest für die Hirten. Nein, sie sind nicht plötzlich reich geworden oder gesund. Sie sind Hirten geblieben und auf die Felder zurückgekehrt. Aber von ihnen heißt es in der Weihnachtsgeschichte: „Sie kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten“ (Lk 2,20). Hirten hatten eigentlich nichts zu lachen, nichts zu loben. Ihr Job war harte, gefährliche Arbeit. Doch die Begegnung mit Maria und Josef und dem Kind hat sie verändert. Die Mühsal des Lebens steht nicht mehr im Vordergrund. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, sagt der kleine Prinz in dem Büchlein von Saint Exupéry. So muss es bei den Hirten gewesen sein! Sie haben „gesehen“, dass Gott sich um die Welt kümmert. Jesus, den wir den Heiland der Welt nennen, der ist geboren!
Später, als Jesus ein Mann war, hat er den Menschen von Gott erzählt und von seiner Liebe. Eine Liebe verändert alles! Grundsätzlich. Wer sich geliebt weiß, kann seinen Glauben ohne Show leben, kann Leidende trösten, sich für Gerechtigkeit in der Welt einsetzen, Barmherzigkeit üben und Frieden stiften. Darum ging es Jesus. So hat er es in der „Bergpredigt“ den Menschen gesagt. Seitdem gibt es Menschen, die die Welt verändert haben. Sie tragen große Namen wie Martin Luther und Martin Luther King. Und viele von ihnen sind ganz unauffällig geblieben. Sie machen ihren Job gut, auf Pflegestationen und bei der Müllabfuhr zum Beispiel.
Oder sie setzen sich für Seenotrettung ein. Oder unterschreiben Petitionen zur Freilassung zu Unrecht Gefangener. Oder, oder, … ganz einfach und still. Das verändert die Welt, Tag für Tag. So hat Jesus das gewollt. Dafür ist er in diese Welt gekommen.
Er wollte, dass auch verletzte Schafe Platz haben in dieser Welt. Und einen Hirten, an den sie sich anlehnen können. Wie die Figuren in unserer alten Weihnachtskrippe. Gerade das verletzte kleine Schaf an der Krippe macht mir Hoffnung.
