Nachgeholte Ehrung für Dr. Carolin Emcke, Ossietzky-Preisträgerin von 2020

Oldenburg | Der Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik wird alle zwei Jahre am 4. Mai, dem Todestag des Friedensnobelpreisträgers Carl von Ossietzky, von der Stadt Oldenburg verliehen. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Er wurde 1981 ausgelobt und 1984 erstmals verliehen. Ausgezeichnet werden Arbeiten über Leben und Werk von Carl von Ossietzky oder über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus oder über die demokratische Tradition und Gegenwart in Deutschland. Ein Novum in der Geschichte des Carl-von-Ossietzky-Preises ergibt sich aus der Pandemie im vergangenen und in diesem Jahr: Auch im zweiten Anlauf – im vergangenen Jahr wurde die Verleihung auf 2021 verschoben – konnte die Ehrung nicht als Festakt mit Publikum stattfinden. Stattdessen überreichte Oberbürgermeister Jürgen Krogmann die Urkunde am Dienstag, 4. Mai 2021, dem 83. Todestag von Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky, im kleinsten Kreis und unter Einhaltung strenger Hygiene-Maßnahmen in einer Feierstunde im Alten Rathaus an die promovierte Philosophin Carolin Emcke.

Die 53-jährige Publizistin ist die mittlerweile 19. Preisträgerin. Eine unabhängige Jury hatte ihr den von der Stadt Oldenburg ausgelobten Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik im Herbst 2019 zuerkannt. „Damals konnten wir nicht erahnen, wie sehr ein Virus unser Leben beeinflussen würde“, so Oberbürgermeister Krogmann. Wie die Pandemie unsere Gesellschaft verändert hat, habe auch die Preisträgerin eindrücklich in ihrem neuesten Buch „Journal – Tagebuch in Zeiten der Pandemie“ beschrieben. „Wir merken gerade jetzt, wie verletzlich demokratische Gesellschaften sind“, sagte Krogmann. Nicht zuletzt deshalb sei die Erinnerung an Ossietzky und an seine Botschaft, mit Zivilcourage gegen Unrecht und Gewalt, gegen Antisemitismus und Diskriminierung aufzustehen und Freiheitsrechte zu verteidigen, noch immer aktuell und bedeutend.

Oberbürgermeister Jürgen Krogmann gratulierte der Preisträgerin: „Mit der Verleihung ehren wir eine außergewöhnlich starke und mutige Persönlichkeit.“ In der Jury-Begründung ist zu lesen: „Ob als Kriegsreporterin oder als Essayistin und literarische Philosophin in einer Gesellschaft im Umbruch – Carolin Emcke tritt der offenen oder versteckten Gewalt seit Jahren als engagierte Stimme der Aufklärung und Humanität entgegen. Sie lässt sich nicht einschüchtern, sondern mischt sich in den gesellschaftlichen Diskurs ein als kritische, intellektuelle Stimme gegen Hetze, Rassismus und Antisemitismus.“

Dr. Carolin Emcke legte in ihrer Dankesrede besonderes Augenmerk auf den empathischen Umgang mit der Vergangenheit. „Die historische Reflexion über den Faschismus muss Schmerz verursachen, sie muss quälende Fragen stellen, an die Strukturen und Institutionen, die die Verbrechen ermöglicht und erleichtert haben“, sagte die Preisträgerin. Sie betonte aber auch die Unterschiede zwischen faschistischer Diktatur und parlamentarischer Demokratie: „Wir sind frei, denen beizustehen, die entwertet und ausgeschlossen werden, unsere öffentliche Macht einzusetzen, um denen mehr Raum zu geben, die ihn brauchen, weil ihnen der alltägliche Rassismus, die alltägliche Ausbeutung, die Homo- und Transfeindlichkeit die Luft zum Atmen abschnürt, weil sie immer noch und immer wieder als ,nicht von hier‘, als ,bedrohlich‘, als ,nicht normale Leute‘ denunziert werden.“

Die Laudatio

Die Laudatorin Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum © privat

Die Laudatio hielt Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum, Direktorin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin.

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