Erstmals werden die Ergebnisse verschiedener Autor*innen in einem Band des Bergischen Verlages gesammelt und ergeben somit eine ausgezeichnete Zusammenfassung und Übersicht über das Geschehen in Remscheid 1945.
Aus dem Vorwort von Armin Breidenbach und Jörg Becker: “Bei einem Vergleich mit anderen Städten fällt auf, dass eine systematische Aufarbeitung der Geschichte Remscheids in den Jahren 1933 bis 1945 erst relativ spät eingesetzt hat. Vor allem in den Siebziger- und Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts ergänzten mündliche Geschichtsschreibung, Berichte von Augenzeugen und historische Werkstattberichte von Laien die Sicht akademischer Historiker. Deren Perspektive von oben nach unten wurde endlich durch eine Perspektive von unten nach oben ersetzt. Die Alltagsgeschichte der kleinen Leute konnte erfolgreich der Geschichtssicht der Mächtigen entgegengesetzt werden. Aber: Augenzeugen gibt es jetzt nicht mehr und eine Rückkehr zu nüchterner, schriftlicher, quellengestützter Archivarbeit ist dringend nötig.
Aus gutem Grund überwog in der Aufarbeitung der NS-Zeit lange Zeit eine Opferforschung. Teilweise gilt das bis zum heutigen Tag. Rückgekoppelt über das sogenannte post-mortale Persönlichkeitsrecht haben sich so manche Kinder und Enkelkinder von NS-Tätern gerichtlich durchsetzen können, sodass die NS-Geschichte ihrer SS-Angehörigen – KZ-Wärter, „Euthanasie“-Ärzte usw. – nicht erzählt werden darf, und so manches kritische Buch musste deswegen eingestampft werden. Auch für Remscheid fehlt eine systematische und ausführliche Täterforschung.”
14 Autoren haben an dieser Geschichte Remscheids mitgewirkt, Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz mit einem engagierten Vorwort, Jörg Beckers detailreiche Schilderung der ersten Sitzung des damals neuen Verwaltungsrates am 15. Mai 1945, als sich Nazis und Nicht-Nazis zum ersten Mal gegenüber saßen, bis hin zum Familienporträt, das Sven Wolf über seine beiden Großväter Ernst Zulauf und Christin Wolf, die er persönlich nicht kennenlernen konnte, geschrieben hat. Jochen Bilstein, herausragender Kenner der Geschichte der Juden im Bergischen Land, berichtet in seinem Beitrag, dass er 1978 den damaligen Leiter des Remscheider Stadtarchives nach der Erinnerung an die Pogromnacht vom 9./10. November 1938 gefragt hatte und die Antwort erhielt, dass es in Remscheid keine Juden gegeben habe (!). Sven Wiertz und Francesco Lo Pinto haben ebenso an der Fertigstellung des Buches mitgewirkt wie die ehemalige Direktorin des französischen Nationalarchivs, Isabelle Neuschwander, und die Italienerin Marinella Fasani.
Die Herausgeber
Armin Breidenbach
(geb. 1950 in Remscheid); Studium in Münster und Berlin; Abschlüsse als Diplom-Kaufmann und Diplom-Handelslehrer; in Berlin langjährige Tätigkeit in der Jugend- und Erwachsenenbildung; seit 2015 Rentner; zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen „Verfolgung und Widerstand in Remscheid 1933–1945“ und „Das Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen und seine Häftlinge 1933–1945“.
Prof. Dr. Jörg Becker
(geb. 1946 in Bielefeld); Studium der Politikwissenschaft, Germanistik, Volkskunde und Pädagogik; seit 1987 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Marburg und von 1999 bis 2011 an der Universität Innsbruck; wohnhaft in Solingen; zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt: Elisabeth Noelle-Neumann. Demoskopin zwischen NS-Ideologie und Konservatismus, Paderborn: Schöningh 2013 und Gustav Flohr. Noch ein Partisan! Noch ein Partisan. Ein Remscheider Kommunist, Klempner, Spanienkämpfer und Bürgermeister, Bonn: Dietz 2020. joerg.becker@komtech.org.