Balkantrasse als Eisenbahn würde intensiver genutzt als der Radweg

Ein Leserbrief von Felix Staratschek

Ungewöhnlich, zugestanden, ein Leserbrief im Forum Wermelskirchen, der sich auf Beiträge in den beiden Lokalzeitungen bezieht. Wir veröffentlichen diese Stellungnahme als Anregung zur Debatte:

Betrifft: 

https://www.rga.de/lokales/wermelskirchen/firmen-kaempfen-verkehrsanbindung-13523401.html

und 

https://rp-online.de/nrw/staedte/wermelskirchen/wermelskirchen-unternehmen-kaempfen-mit-schlechter-verkehrsanbindung_aid-48722987

Das sollte doch hellhörig machen, Unternehmen in Wermelskirchen sehen ein Problem darin, dass die Stadt keine Bahnanbindung hat. Sie haben “Angst vor einer Abwanderung von Mitarbeitern” und sehen “im Fachkräftemangel das Konjunktur-Risiko Nummer 1” (RGA WK vom 5.2.20). Ein Schnellbus als Vorlaufbetrieb einer künftigen Stadtbahnstrecke wäre auf jeden Fall sinnvoll. 2018 wurde berichtet, dass 110.000 Radfarer im Jahr auf der Balkanstrecke gezählt wurden. 

Was auf den ersten Blick nach viel aussieht, wird ins rechte Licht gerückt, wenn man das auf den Tag herunter rechnet: 301 Radfahrer sind im Jahresdurchschnitt auf der Trasse täglich unterwegs. Im Januar 2018 waren es 105 Radfahrer täglich gewesen, im Sommer dürften es ein paar mehr sein. Aber die Regiobahn Mettmann – Düsseldorf – Neuss – Kaarst hatte zu Bundesbahnzeiten mit einem schlechten Fahrplan 500 Fahrgäste am Tag, heute fährt der Zug als S- Bahn alle 20 Minuten und befördert 23.000 Fahhrgäste am Tag. Das sind 76 mal mehr Fahrgäste, als der Radweg Radler hat. Selbst wenn die Balkanstrecke als Eisenbahn nur halb so erfolgreich wäre wie die Regiobahn, wären 38 mal mehr Leute in den Zügen als auf dem Fahrrad. 

© Felix Staratschek

Karlsruhe zeigt, wie man es macht, dort wurden Straßenbahnen auf DB-Gleise geführt und fahren bis zu über 100 km weit ins Umland, zum Teil auf Zweigstrecken, die in dünner besiedelte Regionen führen. In Wörth wurden die Bahnen wieder auf die Straße geführt, um das Stadtzentrum optimal zu erschließen, in Heilbronn wurde nach Jahrzehnten die Straßenbahn wieder eingeführt. Technisch spricht nichts dagegen, durch Wermelskirchen eine Straßenbahn zu führen. Eine Seilbahn ist hier keine Alternative, da wegen der Streckenlänge und Topographie hier dieses langsame Verkehrsmittel nicht sinnvoll einsetzbar ist. 

Das sieht anders aus, wenn dadurch am Rhein Verbindungen geschaffen werden, für die es keine Brücke gibt oder im Stadtverkehr das Verkehrschaos überflogen wird. Fakt ist, der Radweg wurde eingeführt um das Trassenband für die Zukunft zu retten. Wenn also die Eisenbahn wieder kommt, hat der Radweg seine Funktion punktgenau erfüllt. Da aber die Trasse auch Radverkehr ausgelöst hat, ist zeitgleich mit der Planung der Bahnreaktivierung ein Ausbau von Radwegen paralell zur Trasse notwendig entlang der Straßen oder auch durch neue Wege. Und den Fahrradtourismus kann man durch neue Radwege fördern. So wäre ein Radweg entlang der Wupper von Wuppertal bis Leverkusen sinnvoll. Und von Wermelskirchen wird dazu ein Anschlussradweg nach Schloss Burg gebaut, Dann wären Schloss Burg, die Müngstener Brücke, das Straßenbahnmuseum Kohlfurt und der Wuppertaler Zoo gut per Fahrrad erreichbar. 

Ein weiterer Radweg kann von Bergisch Born über Altenberg (Dom, Märchenwald) nach Leverkusen führen. Beide Radwege würden etwas haben, was der Balkantrasse fehlt, sie würden Sehenswürdigkeiten erschließen und Wermelskirchen wäre der optimale Ausgangspunkt für die Touren. Die Balkanstrecke hat an beiden Enden Großstädte, dazwischen wohnen genug Leute in Burscheid und Wermelskirchen. Und auch für Radevormwald und Hückeswagen wäre die Balkanstrecke der Anschluss an die Rheinschiene. 

Die Balkanstrecke als Stadtbahn würde die ganze Region in einer Qualität aufwerten, die der Radweg nie bieten kann. Die Aussagen der Wermelskirchener Unternehmer bestätigen die Notwendigkeit dieser Stadtbahn. Die ganze Trasse lässt einen zweigleisigen Betrieb zu, was einen stabilen und flexiblen Fahrplan erlaubt. Wer die Wirtschaft und die Lebensqualität fördern will, muss der Eisenbahn hier den absoluten Vorrang geben. 

© Felix Staratschek

Beitragsfoto: Stuttgart – Fahrrad und Stadtbahn sind für die “Zacke” kein Widerspruch © Felix Staratschek

Felix Staratschek• Freiligrathstr. 2, 42477 Radevormwald • sachkundiger Bürger der Alternativen Liste Radevormwald (AL) im Verkehrsausschuss • Mitglied bei PRO BAHN e.V. • 02195 / 8592 • (Diese Woche Spätschicht und ab 23.30 Uhr gut 2 Stunden lang erreichbar, nächste Woche Frühschicht, ab ca. 15.30 bis 16 Uhr erreichbar bis gegen 20 Uhr.)

Kommentare (4) Schreibe einen Kommentar

    • PeakyBlinders
    • 14.02.20, 17:02 Uhr

    Mich würde mal interessieren, wie viele Menschen die an der Balkantrasse leben, dies befürworten würden.
    Wer zahlt für den Wertverlust?

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      • Runzer
      • 06.10.24, 15:31 Uhr

      Diese ganze Diskusion der Reaktivierung zu/als eine “Stadtbahn” scheitert schon an der nötigen Finanzierung, ganz zu schweigen dann an den nötigen Einnahmen durch Fahrgäste. Denn selbst wenn eine Finanzierung zustande käme, so müssen die Einnahmen durch Fahrgäste wieder in einem möglichst zeitnahem Zeitraum herein kommen. Also abbezahlt sein um es mal umgangssprachlich zu formulieren.
      Schon daran wird es scheitern, denn jetzt kostet es den Radlern/innen NICHTS die Strecke zu nutzen. Sei es um zum Arbeitsplatz zu gelangen oder nur als Freizeit- u. Fitness-Spaß zu benutzen.
      Das bedeutet, das in dem struktur- und finanzarmen Bereich entlang der Balkantrasse, kaum jemand die “neue Straßenbahn” nutzen wird, es sei denn die Ticketpreise wären “spottbillig”. Das würde aber wahrscheinlich den Geldgebern nicht so recht schmecken.
      Warum wohl wurde damals die Strecke als Personenbeförderung stillgelegt??? Weil sie unrentabel war, im Klartext, es waren zu wenig Fahrgäste. Das wird sich in diesen finanzarmen Haushalten entlang der Strecke auch im Jahr 2024 nicht großartig geändert haben. Wer sich kaum ein ÖPNV-Ticket leisten kann, der wird auch Stand jetzt lieber (oder notgedrungen) mit dem Fahrrad die Balkantrasse entlang fahren.
      Und die die aktuell ein Auto haben, die werden nicht dann mal eben auf die neue Stadtbahn umsteigen. Dazu müsste diese Stadtbahn alle 20 Min. fahren und auch mindestens noch ein Zug um 0:50 in Opladen oder Wermelskirchen los fahren, damit man auch mal kulturelles in der Rheinschiene nutzen kann und dann noch spät-abends nach hause kommt. Und für Schichtarbeitende ist es ebenfalls erforderlich das schon früh am Morgen ab 4 Uhr die erste Bahn dann wieder fährt um zum Frühschichtbeginn zur Arbeit zu kommen.
      Ich denke das dies alles nur viele Kosten beschert, aber die Neuinstalation und die laufenden Betriebskosten können damit nicht adäquat gedeckt werden.
      Hätte man seinerzeit nicht gleich das Schotterbett und die Gleise ausgebaggert und verschrottet, dann sähe die Kostenrechnung etwas günstiger aus. Nun aber, um die Radfahrenden/Fußgänger nicht gänzlich zu verprellen, müssen aufwendige Konzepte für eine Koexistenz herbeigeplant werden. Und damit ist solch ein Ansinnen aus meiner Sicht kostentechnisch völliger Blödsinn.
      Aber das ist ja nur meine bescheidene Meinung.

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  1. Aktuelle Zahlen in der Zeitung bestätigen, wieviel geringer die Nutzung des Radweges im Vergleich zu einer Eisenbahn oder Stadtbahn ist, man muss die Zahlen nur auf den Tag herunter rechnen und dann mit den Tageszahlen von Bahnstrecken vergleichen. Für die Verkehrswende ist diese Stadtbahn unverzichtbar und von daher halte ich den weiteren Ausbau des Radweges für Steuergeldverschwendung. http://viertuerme.blogspot.com/2020/03/balkantrasse-nutzerzahlen-des-radweges.html

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