Die Jugendlichen haben die Fakten auf ihrer Seite

Den Beitrag von Klaus Hansen, der sich mit der Kritik an der ersten Kundgebung von Friedas-For-Future in der Kreisstadt Bergisch Gladbach auseinandersetzt, entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Bürgerportal Bergisch Gladbach in-gl.de:

In der Debatte über die erste Kundgebung von Fridays for Future in Bergisch Gladbach gab es auch viel Kritik. Völlig unberechtigt, denn die jungen Menschen sind sehr gut informiert, sie haben die Wissenschaft auf ihrer Seite. Und sehr viele Probleme vor sich. 

Erschreckend sind einige Kommentare, die den jungen Menschen alles Mögliche und Unmögliche unterstellen. Dabei sind die Sprecherinnen und Sprecher der Gruppen hervorragend informiert und kompetent. Und sie haben die Wissenschaftler an ihrer Seite. Ganz anders als viele der Klimawandel-Beschwichtiger, -Zweifler oder -Leugner.

Hinweis der Redaktion: Den Beitrag über die FFF-Demo mit den Kommentaren finden Sie hier (oder hier im Forum WK); noch schroffer war die Debatte auf Facebook, hier und hier.

Wir haben nur diesen einen Planeten. Spätestens seit dem Blick der Astronauten 1969 auf die schöne blaue Erde müsste allen Menschen klar sein, dass dieses Raumschiff Erde auch nur eine begrenzte Menge an Vorräten hat. Vorräte, die wir zur Zeit noch hemmungslos vernichten. Wer heute noch vom klassischen unbegrenzten Wachstum träumt, hat die Dramatik nicht begriffen.

Unbegrenztes Wachstum kann es nicht geben. (Schon 1975 schrieb die FAZ (!) in einem Kommentar, dass unsere Erde in kürzester Zeit zerstört sein würde, wollten wir allen Menschen einen Lebensstandard wie den in Kalifornien – dem höchsten der Welt – gönnen.) Seitdem hat sich die Zahl der Bewohner unseres Raumschiffs verdoppelt.

Die jungen Menschen haben Recht, wenn sie gegen den Raubbau an unseren Lebensgrundlagen aufbegehren. Sie wissen, dass es ein “Weiter so” nicht geben darf. Denn sie sind die Betroffenen.

Die dramatischen Veränderungen sind überall auf der Welt erfahrbar und sichtbar. Und deswegen gehört das Nachdenken über bisherige Systeme des Wirtschaftens, des Zusammenlebens, des Umgangs mit Menschen, die vor Gewalt, Folter, Hunger, Wasserknappheit, Krieg flüchten, dazu.

Wir haben ein Klimaproblem. Das Eis an beiden Polen schmilzt schneller als erwartet durch die steigende Zunahme des CO2. Weltweit schmelzen Gletscher. In Sibirien, Kanada und Alaska tauen die Permafrostböden. Waldbrände dehnen sich aus. Zusätzlich CO2.

Wir haben seit Beginn der Temperaturmessungen – also seit ungefähr 150 Jahren – die wärmsten Jahre, die wärmsten Monate. Mit steigender Tendenz. Die Klimazonen verschieben sich. Die Folgen haben Klimaforscher ausreichend beschrieben.

Wir haben ein Wasserproblem. In vielen Teilen der Welt nehmen Hitze und Dürre zu. Bei uns wird das Wasser durch Gülle mit Nitrat belastet. Die Gülle stammt aus Massentierhaltung. Auch dabei sind wir in der Weltspitze.

Wir haben ein Wetterproblem. Die Regenzeiten ändern sich, Überschwemmungen nehmen zu, bei uns sinkt der Grundwasserspiegel, unsere Wälder sind im Stress. Waldbrandgefahr.

Hinzu kommen Veränderungen in der Tierwelt: Arten sind gefährdet, Insekten stark reduziert, Nahrungsketten für Vögel werden gestört. Und dabei ist es egal, ob dies durch den (menschengemachten) Klimawandel oder durch “Pflanzenschutzmittel” oder durch etwas anderes passiert. Es passiert.

Wir haben ein Energieproblem. Und das ist mit herkömmlichen fossilen Brennstoffen nicht zu lösen. Nur alternative Energien sind noch zu verantworten. Sonnen- und Windenergie müssen intensiv gefördert werden. Die Förderung von Ölheizungen war in den letzten Jahren verantwortungslos. Die Industrie muss umgebaut werden.

Wir haben ein Ernährungsproblem. Für unsere Fleischproduktion und Fleischverzehr werden viel zu viele Ackerflächen für Tierfutter (in aller Welt) verschwendet, werden Monokulturen ausgedehnt, werden Insektizide, Herbizide, Fungizide ausgebracht, werden Urwälder abgeholzt.

Es sind Ackerflächen, die zur Ernährung von Millionen Menschen gebraucht werden würden, es sind Wälder, die zur CO2-Reduktion notwendig wären. Nach wie vor wird (auch bei uns) wertvoller Boden für noch mehr Parkplätze und neue Straßen fleißig versiegelt.

Wir haben ein Müllproblem– und daran sind wir Menschen aus den reichen Ländern des Westen als Hauptverursacher entscheidend beteiligt. Die Folgen des Müllproblems (z. B. Mikroplastik) werden alle Menschen am eigenen Leib (und Magen) zu spüren bekommen.

Das Verbot von Plastiktüten ist notwendig. Aber angesichts der Größe des weltweiten Müllproblems wirkt das nur wie ein Tropfen in einem Ozean.

Wir haben eine Mobilitätsproblem. Es gibt viel zu viele Autos – PKWs wie LKWs. Mit wachsender Tendenz. Und mit den zu vielen Autos zu viele Fahrten. Und damit zuviel CO2. Beispiele: Die Autobahnen sind heute unsere Lagerhallen – just in Time. Die Unternehmen sparen und alle zahlen für die wachsenden Schäden.

Die Fehler der Vergangenheit (Rückbau des Schienennetzes) können gar nicht kurzfristig genug beseitigt werden. Die Katastrophe wächst also weiter. Wer heute noch Autos mit herkömmlichen Antrieben plant, handelt verantwortungslos. Denn diese Autos werden noch mindestens ein Jahrzehnt auf den Straßen sein. Egal wo. Denn CO2 und Feinstaub machen nicht vor Länder- oder Kontinentgrenzen halt.

Eine Überlebenschance steckt in einer großen Mobilitätsveränderung. Mit Geschwindigkeitsbeschränkungen (wie überall auf der Welt – außer Nordkorea), mit kleineren, sauberen Fahrzeugen, mit der Reduzierung unsinnig hoher Motorleistungen, mit Fahrverboten (gerade bzw. ungeraden Nummernschilder), mit einem dynamischen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Radwegesysteme.

Die flächendeckenden Geschwindigkeitsbeschränkungen werden natürlich kommen, auch wenn heutige Verkehrsminister davon noch nicht wissen wollen.

Das Bittere: Es wird zur Zeit nur an zu kleine Einzelmaßnahmen (Plastikhalme!) gedacht, nicht in einem großen Zusammenhang. Und immer wieder werden Einschränkungen, Veränderungen etc. von den jeweils anderen erwartet. Während die Probleme wachsen.

Ich nehme an, dass wir angesichts des zögerlichen Handelns heute und der immer knapper werdenden Zeit zur Umkehr in absehbarer Zeit panische Reaktionen der Politik erleben werden. Die Ziele für 2020 sind schon gerissen, die Ziele 2030 werden auch nicht erreicht.

Was jetzt passieren muss: Wenn Deutschland – ähnlich wie die skandinavischen Länder als aktuelle Vorreiter in Fragen der Ökologie – wieder eine Vorreiterrolle als bedeutender Industriestandort auch in der Umwelttechnik einnehmen möchte, dann muss unsere Politik sich dringend ändern, muss jetzt ganzheitlich an die Probleme herangegangen werden, muss jetzt schneller entschieden, muss jetzt tiefgreifend gehandelt werden. Auch als Vorreiter für andere Länder.

2050 soll Deutschland klimaneutral sein. Das wird schwer. Ein Beispiel: Wer heute privat oder öffentlich ein Gebäude errichtet, dass nicht klimaneutral ist, handelt verantwortungslos. Denn das Gebäude wird Jahrzehnte stehen.

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