Camino Santiago. Hontanas nach Boadilla del Camino. Mit der heutigen Etappe bin ich in das zweite Drittel meines diesjährigen Camino gestartet. Los ging es wie in den letzten Tagen um 6 Uhr mit dem Frühstück, wobei ich eigentlich schon um 5:40 Uhr startklar war. Ich muss krank sein, im Urlaub freiwillig so früh aufzustehen. Aber, nun ja, irgend etwas hat mich nicht im Bett gehalten. Meine Mitpilger, mit denen ich das Zimmer teilte, waren es jedenfalls nicht.
Kurz nach Hontanas rief mir Christina nach und bat um Hilfe. Sie wollte ihren Rucksack nicht absetzen und hatte noch eine Wasserflasche zu verstauen. Sie erzählte, dass sie aus Rumänien stamme und gestern erst sehr spät in die Herberge gekommen sei. Wir gingen gemeinsam Richtung San Anton, der sonderbaren Klosterruine. Die heutige Landstraße folgt exakt der historischen Pilgerroute und führt durch das Bogengewölbe, das einst Kloster und Kirche verbunden hat. Es stellte sich heraus, dass Christina sich mit ihrem Freund zerstritten hat, da sie einige Kilometer mit dem Bus zurück gelegt hat. Ihr Freund ist der Auffassung, dass sie damit nicht mehr als Pilgerin zähle. Ich versicherte ihr, dass sie dennoch als Pilgerin zähle und ich auf meinen Caminos auch schon in der Situation war, nicht mehr laufen zu können.
In San Anton trennte sich Christina von mir, was mir die Gelegenheit gab, eine der Tageslosungen zu ziehen, die ich mir gestern aus der Kirche in Hontanas mitgenommen habe. – Die Kirche lud zum verweilen und zum Gebet ein. – Die Losung lautet: “Sei gegenwärtig in allem, was Du tust, die einzige Wirklichkeit ist jetzt. Solange Du Vergangenem nachhängst oder Zukünftigem nachstellst, bist Du nicht wirklich hier, am Leben.” – Anders ausgedrückt: Lebe nicht in der Vergangenheit oder weit in der Zukunft, lebe im Hier und Jetzt. Was nicht heißt, man solle in den Tag hinein leben. Das Gestern beeinflusst mein Hier und Jetzt; mein Hier und Jetzt kann das Morgen nicht gänzlich außer acht lassen. Auch hier kommt es auf eine ausgewogene Balance an. Und dies macht das Leben eben so spannend. – Ob ich diese Balance habe? Wer weiß.
Von San Anton ging es weiter nach Castrojeriz mit den Tafelbergen. Auf einen der Tafelberge, den Alto de Mostelares, führt der Camino, eine echte Herausforderung. Denn der Berg wartet mit 12prozentigen Steigung auf und der Abstieg mit seinen 16% hat es auch in sich. Beides zwar relativ kurz, jeweils etwas mehr als einen Kilometer, aber eben knackig. Der Weg führte weiter zur Emiritage San Nicolas, einer sehr einfachen Pilgerherberge, die vom itaienischen Malteserorden betreut wird.
In Itero de la Vega gönnte ich mir kurz eine Cola, um sofort weiter zu gehen. Gegen 13:30 Uhr erreichte Boadilla del Camino und meine heutige Herberge, die Herberge Enel Camino, eine sehr schöne und liebenswerte Unterkunft.